Kino

„The Last Showgirl“ – Das Pin-up wird Figur

Pamela Anderson verblüfft und überzeugt in Gia Coppolas Las-Vegas-Drama „The Last Showgirl“ als Charakterdarstellerin (Tübinger Museum)

TÜBINGEN. Unglaublich. Der „Baywatch“-Star, das Busenwunder von einst, Sex-Symbol der Neunziger, in einer ernsten, richtigen Rolle. Teils ungeschminkt. Alternd, aber durchaus in Schönheit in ihren späten Fünfzigern. Gia Coppola, Enkelin von Francis Ford Coppola, hat Pamela Anderson für die Titelfigur als gnadenlos ausrangierte Glitzer-Tänzerin Shelley in dem leisen Las-Vegas-Drama „The Last Showgirl“ besetzt. Eine geradezu sensationelle schauspielerische Leistung. Es mag kein ganz großer Streifen sein. Aber der Film hat noch andere Stärken.

Das Eingangsbild von „The Last Showgirl“. Fotos: Verleih

Dreißig Jahre lang stand Shelley in Las Vegas ganz vornweg für die erotische Tanzshow „Razzle Dazzle“ auf der Bühne. Jetzt ist dieser „Moulin Rouge“-Stil out, und Bühnen-Manager Eddie muss seinen Meedls, auch den jungen in dieser Girls Group, das kommende Ende verkünden. Shelley, nebenbei so etwas wie die Mutter der Compagnie, steht nicht nur vor dem beruflichen Nichts, sondern sieht sich auch damit konfrontiert, dass sie als alleinerziehende Mutter für diese Karriere ihre Tochter vernachlässigen musste. Hannah, bei einer Pflegefamilie aufgewachsen, steht vor einer Studienwahl und taucht jetzt unvermittelt auf. Ihr stiller Vorwurf wiegt schwer.

Gia Coppola hat diese Geschichte (Drehbuch: Kate Gersten) ganz ohne Spektakel in Szene gesetzt. Die bewegliche, aber nie hektische Handkamera von Autumn Durald Arkapaw – es gibt auch ruhig statische Einstellungen – folgt ihren Figuren oft geradezu zärtlich. Nicht das Funkeln der Showstadt Vegas, sondern das Sonnenlicht in der Wüste von Nevada ist fantastisch eingesetzt. Die Musik von Andrew Wyatt ist nicht nur beim finalen Song „Beautyful that Way“, von Miley Cyrus gesungen, ganz großartig, dabei unaufdringlich und frei von allem Bombast.

Pamela Anderson (2024). Agenturfoto

Und die Schauspiel-Crew ist eine Wucht. Zwischen Shelley als schuldbeladener Mutter voller Selbstvorwürfe, als glamourösem oder abgetakelten Alt-Star, nachdenklich-melancholischer Freundin und trotzig aufbegehrender Casting-Bewerberin zeigt Pamela Andersons eine Ausdrucksvielfalt und Tiefe, die ihr wahrscheinlich niemand zugetraut hätte. Allenfalls der Augenaufschlag (in ein paar wenigen Szenen naiver Überraschung) mag manchmal eine Spur übertrieben sein und vielleicht eine Spätfolge von zuviel Klimpern mit überschwer schwarzgetuschten Kunstwimpern. Pamela Anderso ist, sorry, in der deutschen Fassung auch etwas arg mädelig synchronisiert.

Jamie Lee Curtis als Annette, hinter deren forschem Zynismus gleichfalls eine verlorene Seele leidet, bietet eine grandiose Nebenrolle. Mutig, wie sie der Maske ein zusätzliches Altern ins echt schon Hässliche anheimstellt. Den meist strengen, manchmal aber auch fürsorglichen Manager Eddie gibt Dave Bautista mit stiller Größe – und bereitet subtil die besondere Rolle vor, die ihm die Story zugedacht hat. Ausgezeichnet in je eigener Färbung Billie Lourd als traurige Tochter Hannah sowie Kiernan Shipka und Brenda Song, die als jüngere Kolleginnen mit Shelley und Anette auch privat eine Clique bilden.

Pamela Andersons sensationelles „Last Showgirl“ erinnert ein wenig an den überragenden Auftritt von Angelina Jolie als alternde Maria Callas, gleichfalls zuvor eher als Celebrity der bunten Presse berühmt. Oder an eine Nicole Kidman, die in „Babygirl“ eine ganz große Rolle als reifere Frau abgeliefert hat. Oder an Demi Moore, die für „The Substance“ nur knapp den Oscar verpasste – alles Filme aus der jüngsten Zeit. Auch Kate Winslet als „Fotografin“ könnte man dazurechnen. Und ein wenig an Meryl Streep, Jodie Foster oder Glenn Close, vielleicht auch an Isabelle Huppert denken.

Wenn das ein Trend zu älteren Frauen – in Hollywood bisher geradezu ausgeschlossen, undenkbar – sein sollte, dann ist es ein schöner Trend. Zumal deren Altern durchaus ein Altern in beeindruckender Schönheit ist.

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