Kino

„Babygirl“ – Top, hop, happy

Die Tübinger Blaue Brücke und das Reutlinger Cineplex zeigen den Erotik-Thriller „Babygirl“ mit einer großartigen Nicole Kidman und Antonio Banderas

TÜBINGEN / REUTLINGEN. Halina Reijns Erotikdrama „Babygirl“ beginnt mit einem vorgetäuschten und endet mit einem echten Orgasmus der Top-Managerin Romy Mathis, gespielt von Nicole Kidman. Diese Romy ist seit 19 Jahren mit dem bärtigen Theater-Regisseur Jacob (Antonio Banderas) verheiratet, hat zwei heranwachsende Töchter und bewohnt ein schmuckes Anwesen mit Pool und weitläufigem Park.

Nicole Kidman (2022). Foto: zdf

Ihr erfolgreiches, geordnetes, etwas anstrengendes, aber sexuell unerfülltes Leben kommt furchtbar durcheinander, als in der Firma, die sehr auf ihre woke Corporate Identity hält, der junge, eher unauffällige, aber etwas andere Praktikant Samuel (Harris Dickinson) auftaucht. Den unangemessenen Flirt zwischen der Chefin und dem Laufburschen inszeniert die Regisseurin höchst subtil und hochspannend in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, wobei beider Verhalten nicht dem modernen Comment entspricht.

Romy, die ihre unausgelebten Maso-Fantasien entdeckt hat, nutzt ihr Macht als weit übergeordnete Vorgesetzte und wird übergriffig, mindestens „inappropriate“, wie das im Jargon der Correctness heißt. Samuel zeigt sehr bald seine Neigung zum sexuellen Herrn oder Meister, einer männlichen Domina. Das späte, ganz langsam angebahnte und keinesfalls als plötzliches Aufflammen wilder Begierden inszenierte Treffen in einem unangemessenen Stundenhotel endet mit etwas, das einer Vergewaltigung gleichkommt. Denn sie sagt ausdrücklich und mehrfach „Nein!“.

Solche Sexszenen sind übrigens sehr virtuos gefilmt und vor allem von Nicole Kidman ganz großartig gespielt, auch mutig, aber ohne auch nur einen Hauch von Pornografie. Ihr Gesicht spricht Bände. Jasper Wolfs unruhige Kamera, die schnellen Schnitte Matthew Hannams sind auch sonst das angemessene Mittel, um Romys zunehmende Zerrissenheit zu zeigen – für die Zuschauer aber sehr anstrengend.

Natürlich sind die Vorbilder nicht zu übersehen – von Ibsens „Hedda Gabler“ (eine der Tochter nimmt das Drama in der High School durch) und von „Pretty Woman“ über „Fifty Shades of Grey“, von dem “Unmoralischen Angebot“ oder der „Verhängnisvollen Affäre“ bis zu den gespreizten Beinen des „Basic Instinct“. Doch „Babygirl“ ist weit weg von einem Abklatsch oder motivischen Remake erfolgreicher Streifen. Manche Details – die Rettung vor dem Hund, die Milch, die Krawatten, das verunstaltende Botox etwa – sind wirklich originell. Die Dialoge wirken gerade in der Originalfassung ausgesprochen lebensnah und authentisch. Die Musik mag vielleicht manchmal zu massiv geraten sein.

Mit ein paar Nebenfiguren kommen Nebenstränge in den Film, die womöglich ein wenig ablenken vom Kernkonflikt: Da betrügt die eine der Töchter ihre Freundin mit der Nachbarstochter; die ehrgeizige und besonders woke, feministische (und schwarze) Chefassistentin Esme (Sophie Wilde), wird zu Samuels zweitem und eigentlichem Loverbabe und setzt ein eigenes Eifersuchtsdrama – neben dem des eigentlich auch sexuell so soften, aber eben langweiligen Ehemanns Jacob – in Gang, samt dezenter Erpressung, in der sich auch der zweite Mann der Company ganz intrigant übt.

Antonio Banderas (2024). Agenturfoto

Wie der ganze Film bleibt auch das Ende in einer gewissen mehrdeutigen Offenheit, eine Ambiguität, durchaus ein Merkmal großer Kunst. Aber mindestens ein dezenter Hauch von Happy End, über das man streiten könnte, deutet sich schon an. Für ihre Rolle der Romy Mathis hat eine – übrigens wunderschön und hochattraktiv alternde – Nicole Kidman völlig verdient in Venedig den oscarhaft begehrten Darstellerpreis „Coppa volpi“ bekommen. Dem ganzen Film „Babygirl“ allerdings wurde der Goldene Löwe nicht zuteil. FSK ab 16

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