Kino

„Maria“ – Die Große Liebende

Im Tübinger Museum, dem Reutlinger Cineplex Planie, dem Kamino und dem Rottenburger Waldhorn läuft das Biopic mit Angelina Jolie als Maria Callas an

TÜBINGEN/REUTLINGEN. Man hätte Angelina Jolie, einen Mega-Promi der Tratschpresse, eher nicht in der Rolle der Callas erwartet. Aber für „Maria“, das Biopic von Pablo Larraín über die alternde, liebeskranke Diva, soll sie sogar intensiven Gesangsunterricht genommen haben. Naja, vom Glamourfaktor her passt das ja auch. Maria Callas, La Callas, La Divina, die Primadonna assoluta der Oper und vielleicht (neben Barbra Streisand aus einem anderen Genre) die größte Stimme überhaupt, starb anno 1977 gerade mal 53-jährig an gebrochenem Herzen, in Paris. Verwundet hatte dieses Herz Aristoteles Onassis, der König der Tanker und des Jet Sets, Grieche wie sie. Als er gestorben war, der steinreiche Reeder und Frauensammler, der sie gedemütigt und für Jackie Kennedy verlassen hatte, nannte sie sich seine Witwe.

„La Divina“ und ihr Lebensmensch „Ari“, der sie demütigte und für Jackie Kennedy verließ.

Der chilenische Regisseur entwickelt sich zu einem Spezialisten für Frauen-Biopics: Vorgängerinnen der Callas waren Jackie Kennedy (!) und Princess Di. Er hat ein etwas konventionelles, aber handwerklich sauberes Stück abgeliefert. Die Filmgegenwart dieser letzten Jahre der Callas, in der sie keine Auftritte und keine Stimme mehr hatte, ist mit schönen Aufnahmen von Paris und gediegener großbürgerlicher Interieurs abgefilmt. Die Rückblenden auf dieses in Armut begonnene, kometenhaft aufgestiegene und schließlich verglühte Leben wird in Schwarzweiß gehalten, aber durchweg von Schauspielern gestaltet. Sogar John F. Kennedy und Marylin Monroe werden gedoubelt, auch Onassis, was ein wenig befremdlich wirkt. Nur im Abspann gibt es dokumentarische Originalaufnahmen, die zeigen, dass die Diva auch noch andere Facetten hatte als dieser sperrige Charakter der letzten Jahre, wie ihn Angelina Jolie darstellt.

Die Callas in ihren letzten Jahren. Foto: dpa

Sie macht das eigentlich nicht schlecht. Allerdings ist das mimische Ausdrucksspektrum der Hollywoodgröße nicht nur deshalb etwas schmal, weil die Callas nach dem Karriere-Ende und dem Tod ihres Aristoteles Onassis relativ einheitlich dargestellt werden sollte: melancholisch bis verbittert und zynisch, blasiert und herablassend bis arrogant, herrisch, starrsinnig und oft verletzend mit ihrem spitzen Sarkasmus, über den sie wohl schon früher geboten hatte. Ihre beiden Bediensteten, der Butler Ferruccio und die Köchin und Hausdame Bruna, von Pierfrancesco Favino und Alba Rohrwacher ganz wunderbar dargestellt, lieben sie trotzdem und behüten die Einsame mit sanfter Fürsorge.

Im „Spiegel“ hat eine „Expertin“ dem Hollywoodstar vorgeworfen: »Jolie will hauptberuflich schön sein. Das wollte Callas nie.« Da ist nur insofern was dran, als die altersmäßig passende Angelina ein gelebtes Gesicht wie das der originalen Callas schon deshalb nicht bekommen kann, weil sie völlig auf Wein und Whiskey, auf Drogen und Psychopillen verzichtet und stattdessen auf vegane Bio-Ernährung, Wellness und Ärzte-Checks, auf Sport sowie ein bisschen Botox oder Chirurgie schwört.

Aber der andere Vorwurf dieser Eva Gesine Baur an die Adresse des Regisseurs und vor allem des Drehbuchschreibers Steven Knight ist vollkommen absurd: Sie hätten sich zu sehr im Boulevard bedient, die „wahre Callas“ sei eine ganz andere gewesen. Welche Anmaßung, was für ein Missbrauch dieser Figur für irgendeine Ideologie, ein für irgendeine eigene Sache brauchbares Bild! Der Film ist keine Hagiografie, kein Heiligenepos, aber er denunziert seine Figur auch nicht. Selbst das – von der Diva selber in die Welt gesetzte, aber zurückgenommene – Gerücht, die Mutter habe den deutschen Besatzern Griechenlands im Zweiten Weltkrieg nicht nur ihre Stimme und ihren Tanz, sondern auch den Körper ihrer Tochter verkauft, wird in dezenter Schwebe gelassen. Genau wie die angeblich von Onassis erzwungene Abtreibung eines gemeinsamen Babys.

Das Beisein der Callas beim berüchtigt erotischen Auftritt der Monroe bei Kennedys Geburtstagsempfang mag ebenso erfunden sein wie die Fast-Begegnung mit Jackie am Sterbebett von Onassis: Das ist die völlig legitime Freiheit zur Fiktion. „Si non è vero, è ben trovato“ – eben gut erfunden. Es muss einem Film nicht darum gehen, „die wahre Callas“ zu enthüllen. So etwas dürfen Journalisten und „Expertinnen“.

„Maria“ macht Lust auf mehr: mehr Musik, mehr Oper, mehr Wissen über diese faszinierende Jahrhundertgestalt, deren Ende so traurig und tragisch war, wie es eine gar zu schöne Angelina Jolie mit Glamour und Patina darzustellen versucht. (FSK ab 6)

Angelina Jolie als vereinsamte Maria Callas in Paris. Fotos: Verleih

Dieser Zusatz, ein wenig pro domo, sei erlaubt:

Pablo Larraín und Autor Steven Knight haben in „Maria“ ihr eigenes, völlig legitimes Bild der späten Callas entwickelt. Eine Kennerin, siehe oben, warf ihnen „Spiegel“ schmallippig vor, sich zu sehr bei den bunten Blättern und ihren Stories bedient und die „wahre Callas“, die es natürlich nicht gibt, verfälscht zu haben: »Mir scheint das Skript sehr stark auf journalistischen Quellen zu gründen, auf Interviews, Berichten«, sagt Kulturhistorikerin Eva Gesine Baur, »weniger auf guten, wissenschaftlich recherchierten Biografien.«

Der Autor dieser Rezension hat der Diva in dem politischen Reiseroman „Liebe, Leid, Corona“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Dort passte Maria Callas als „Große Liebende“ in den thematisch-kompositorischen Zusammenhang, nicht als trauernder, lebensmüder, medikamentensüchtiger Ex-Star ohne Stimme. Das kurze Kapitel darf hier zitiert werden:

Das Theater von Epidauros auf dem Peloponnes. Foto: Martin Bernklau

Die Große Liebende

Epidauros, das Heiligtum des Heilgotts Asklepios, der nach der Pestepidemie in Athen immer populärer geworden war unter den Hellenen, war schon deshalb von besonderem Interesse für Ella, weil sie sich mit ihren profunden, über viele Jahre angeeigneten Kenntnissen der Homöopathie und dem versierten Umgang mit Schüßler-Salzen und Bachblüten durchaus selber ein bisschen als Heilende, als Helfende empfand. Es ging schon auf den Abend zu, und wieder waren sie fast für sich im heiligen Bezirk, im kleinen Museum und vor allem im Theater.

Wie das weite Rund dieses Amphitheaters sich nach Nordwesten gegen das Leuchten des Abendhimmels öffnete, das war überwältigend.

»Du hast bestimmt auch wieder eine Geschichte auf Lager«, sagte Ella mit liebevollem Spott.

»Aber klar«, antwortete Marc, »aus einer Klatsch-Doku über Diven, die ich irgendwann mal mitten in der Nacht angeschaut habe, als ich nicht schlafen konnte. Du kennst doch Maria Callas, die Callas. Ich könnte mir zwar denken, dass sie dir nicht so liegt, und auch ihre Stimme nicht. Muss dir mal Arien vorspielen. Aber diese Stimme, genau wie die von Barbra Streisand, war ein wahrhaftiges Wunder der Natur, jedenfalls bis zum Gipfel ihrer Karriere. Und der war hier. Der fand hier statt. Aristoteles Onassis, der Tankerkönig und Milliardär, hatte seiner Geliebten hier im Amphitheater 1960 einen ganz besonderen Auftritt als Bellinis »Norma«, im Jahr darauf als rächende Liebende und kindermordende »Medea« in der Cherubini-Oper organisiert, verschafft, protegiert, promotet, wie auch immer. Das Epidauros-Festival muss es immer noch geben, vielleicht ist es damals mit dem Callas-Auftritt sogar gegründet worden.«

Er musterte kurz Ellas nachdenkliches Gesicht und fuhr dann fort: »Nach diesem Triumph soll Onassis dann aber begonnen haben, sie wegen ihrer nachlassenden Stimme zu demütigen. Oder die Stimme ließ nach, weil er sie demütigte. Das gipfelte dann darin, dass er Jackie Kennedy heiratete. Die Callas hat das nie verwunden. Als ihr Ari tot war, nannte sie sich seine Witwe. Sie ist in Paris gestorben. Mit 53, an gebrochenem Herzen: Infarkt. Dort gibt es auch ein Grabmal, aber das ist ein Fake. Sie hatte verfügt, dass ihre Asche vor Skorpios, der Privatinsel von Onassis, wo er begraben lag, ins Meer gestreut würde. Und so geschah es. Eine große Liebende. Henry Miller übrigens, der große Erotiker, war auch totaler Epidauros-Fan. Das habe ich gestern im Reiseführer gelesen.«

Sie machten im Amphitheater natürlich auch wechselweise den Akustik-Test. Ella ließ eine kleine Münze fallen. Marc sprach die Worte „Alles Theater!“ – und sprach sie immer leiser. Ella sollte mit erhobenem Arm Zeichen geben, dass sie eben noch verstanden hatte. Dreimal hob sie den Arm. Beim letzten Satz, einem verschämt und schüchtern geflüsterten »Ich liebe dich, Ella«, nicht mehr. Vielleicht, dachte sich Marc viel, viel später, hatte sie das nicht mehr hören wollen. Oder sie fand solche Sentimentalität gar zu kitschig. Wie er eigentlich auch.

Bei Dunkelheit kamen sie nach Korinth und fuhren auf der Landstraße über die versenkbare Brücke an der Ausfahrt des Kanals zum Saronischen Golf.

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