Im Tübinger Museum und dem Reutlinger Kamino läuft Petra Volpes „Heldin“ mit der großartigen Leonie Benesch in der Hauptrolle an
TÜBINGEN. Petra Volpes „Heldin“ mit Leonie Benesch in der Hauptrolle könnte ein Klassiker werden, vielleicht sogar eine Art Kultfilm. Denn in der Figur der Krankenpflegerin Floria Lind dürften sich Abertausende von Pflegekräften wiedererkennen: am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der klinische Kollaps. Kein Notstand mehr, sondern längst die absolute Pflegekatastrophe.
Die aus der Schweiz stammende Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe schildert dramatisch verdichtet und zugespitzt einen Tag, einen Arbeitstag im Leben dieser jungen Frau, die als Pflegerin auf einer Station der Chirurgie in einem Schweizer Kantonsspital ihren Dienst tut – tapfer, muss man sagen. Denn der Stress beginnt gleich nach der routinierten Übergabe zur Spätschicht und steigert sich ins Unerträgliche. Man ist wieder mal unterbesetzt.
Rund zwei Drittel der klassischen anderthalb Stunden Spielzeit wirkt der Film wie eine Art Dokudrama, mit einem präzisen inneren Tempo (Schnitt: Hansjörg Weißbrich) von Judith Kaufmanns Kamera erfasst. Ganz klassisch übrigens auch die aristotelische Einheit von Ort, Zeit und Handlung aus der griechischen Dramentheorie. In der Literatur wäre es eine klassisch formstrenge Novelle.
Die Professionalität der Pflegerin Floria – ganz großartig gespielt von Leonie Benesch – scheint nichts, wirklich garnichts erschüttern zu können. Jeder Handgriff sitzt perfekt und flott. Virtuos jongliert sie mit den immer dringlicher, immer dichter getakteten Pflichten, Forderungen, Hilferufen, Notfällen. Nicht nur scheinbar stoische Ruhe und Beherrschtheit bewahrt sie dabei, sondern auch eine unerschütterliche Freundlichkeit, die mehr ist als antrainierte Routine: zugewandt, einfühlsam und echt. In der vielleicht anrührendsten Szene singt sie mit der sterbenskrank dementen Patientin das schönste aller Abendlieder: „Der Mond ist aufgegangen“. Es hilft.
Auch die fiese Boshaftigkeit des Privatpatienten mit Bauchspeicheldrüsen-Krebs erträgt sie. Mit taktvoll höflicher Bestimmtheit wehrt sie vielerlei Zumutungen vonseiten der Patienten und Angehörigen ab. Sogar gegenüber den Kollegen, der untergebenen Schülerin oder der vorgesetzten Ärztin gelingt es ihr, die Fassung zu bewahren. Noch passiert nichts Schlimmes. Aber dann bahnen sich die Katastrophen an.
Es beginnt mit verwechselten Schmerzmittel-Becherchen. Der erste Fehler. Aber alles noch beherrschbar. Damit setzt ein filmisches Fugato, eine Engführung an, die Petra Volpes in genauester dramaturgischer Dosierung steigert und zuspitzt wie das Finale einer Sinfonie. Eine greise Patientin stirbt und kann nicht wiederbelebt werden. Floria hatte stundenlang nicht mehr nach ihr schauen können und sieht sich heftigen Vorwürfen der verzweifelten Söhne ausgesetzt. Mit dem todgeweihten Pankreas-Patiententyrannen kommt es zum Showdown, der das Ende ihres Berufslebens als Pflegerin bedeuten könnte…
Die Regisseurin steigert die Unerträglichkeit nicht noch in einen echten Untergang, sondern setzt einen melancholisch milden Schlusspunkt unter ihren furiosen Film. Die sonst so subtil ausgesteuerte Musik von Emilie Levienaise-Farrouch kippt mit dem Schluss-Song vielleicht ins leicht Pathetische. Das könnte auch dem Titel dieses Meisterwerks vorgehalten werden. Aber am Ende versteht jeder, dass dieser grandiose Autorinnenfilm tatsächlich von einer Heldin handelt. (FSK ab 6)

Susanne Eckstein
28.02.2025 15:44 at 15:44
Im Zug haben sich neben mir zwei weibliche Pflegekräfte über den Film unterhalten. Sie fanden ihn prinzipiell gut, aber viele Details seien unrealistisch, beispielsweise dürfe man keinesfalls starke Medikamente im Klinikflur lagern, wie dies im Film gezeigt werde. Da sei wohl nicht genug recherchiert worden.