Bühne

„Tatortreiniger“ – Blitzsauberer Boulevard

Im Reutlinger Tonnekeller spielen Chrysie Taoussanis und David Liske das Episodenstück von Mizzi Meyer alias Ingrid Lausund

REUTLINGEN. Die Serie um „Tatortreiniger“ Schotty mit Bjarne Mädel ist ein mit Grimme-Preisen ausgezeichneter TV-Kult, den man eigentlich gesehen haben sollte. Wem das nicht vergönnt war, der kann jetzt in den Genuss eines Konzentrats kommen, das Enrico Urbanek auf die Bühne des Reutlinger Tonnekellers gebracht hat. Am Samstagabend war die ausverkaufte Premiere mit dem Solisten-Doppel Chrysi Taoussanis und David Liske, die aus dem Stück von Mizzy Meyer, der originalen Serienautorin Ingrid Lausund, ein vierteiliges Episodenstück gehobenen Boulevards mit todernstem Finale machen.

Dienstleister unter sich. Foto Armbruster/Tonne

Diesen Schotty, meist im Blaumann, manchmal aber auch in blauer Unterhose, spielt David Liske mit gewohnte Präsenz und oft leicht spöttischem Unterton als gleichbleibenden Charakter durch alle vier Einzelgeschichten hindurch. Chrysi Taoussanis hat es zwar eigentlich schwerer mit vier, fast fünf Frauenrollen an unterschiedlichen Tatorten, kann aber auch glänzen mit ihrer schauspielerischen Vielfalt und Wandelbarkeit, mit der sie diese Typen zeichnet – Charaktere wäre etwas hoch gegriffen für diese originelle Mischung aus Krimi ex post und Comedy.

Zur Sache, Kollegin, auf’s Bett! Fotos: Martin Bernklau

„Ganz normale Jobs“. Im ersten Stück überrascht den hochqualifizierten Tatortreiniger eine andere Fachkraft, die eigentlich nur in Vertretung ihrer verhinderten Kollegin zum Verblichenen bestellt worden war. Das ist recht witzig, wie sie sich da über das jeweilige Gewerbe austauschen und dann zur Sache kommen – oder fast. „Sind sie pervers?“ fragt die Dame, als sie bemerkt, dass der Putzmann nicht nur das After Shave des Toten probiert hat, sondern fürs recht teure Vergnügen („250 Euro komplett, Französischunterricht 80“) auch dessen grellblaue Unterhose entlehnt hat. Der Blick unter die Decke jagt ihr allerdings einen Schreck bis auf die Knochen ein, woraufhin sie die Flucht ergreift.

Hilfe für die Gestresste und Verzweifelte (Chrysi Taoussanis) vom Tatortreiniger (David Liske).
Foto: Martin Bernklau

Die Umbaupausen (mit einem zupackenden Enrico Urbanek selbst) werden auch mit verfremdendem Garderoben-Geplauder aus dem Off gefüllt. In der zweiten Episode hat es Heiko Schotte mit einer völlig gestressten Managerin, Mutter und Gattin namens Frau Drechsler zu tun, die das anstehende Begräbnis für ihren ermordeten Schwiegervater total überfordert. Da wird munter wortgewitzelt und manches Klischee scharf zugespitzt. Aber Schotty ist ein praktischer Mann und übt mit ihr, mit welchen angepassten Ausreden sie ihren Anhang davon überzeugen kann, dass sie nichts Anderes als drei Tage Ausschlafen im Hotel braucht, und zwar dringendst: „Ich kann nicht mehr!“, fleht sie. Da müssen dann irgendwelche krankmachenden Keime herhalten, die sich im getrockneten Blut gefährlich ausbreiten. Am Ende tut’s aber die schlichte Wahrheit.

Praktische Tatortreinigung und Reinigung für die Seelen von der Schamanin. Foto: Martin Bernklau

Der „Auftrag aus dem Jenseits“ kommt vom toten Obdachlosen „Peter Pissdoof“, der sich als übelst gemobbter Schulkamerad von Schotty herausstellt, nachdem eine Schamanin ans Werk gegangen ist, den Tatort auch in seelischer Hinsicht zu reinigen. Schön, wie geschmeidig und durchaus nuanciert Chrysi Taoussanis mit der neuen Garderobe von der genervten Normala zur abgedrehten Nervensäge einer esoterischen Spinnerin – „480 Euro für Hokuspokus?“, fragt Schotty mit leisem Protest – wechselt. Aber am Ende gibt der reuige Tatortreiniger wieder klein bei und sagt zu, einen Leichenschmaus für hundert Obdachlose zu organisieren. Das streift die Story (nicht das souveräne Spiel des Duos) schon sehr den gutmenschlichen Kitsch und verrät ein bisschen den satirisch-kritischen Unterton, der diese originellen Parodien bis dahin durchzog.

Und beim Finale um „Schottys Kampf“ kommt es dann ganz dicke. Denn der Tatortreiniger muss bei einem richtigen toten Nazi reinigen, aufräumen. Tolles Ambiente für die Ausstattung mit Fahnen, bronzenen Führer- (und Mussolini)-Relief, Uniformen, Helmen, Hakenreuz-Armbinden und einer Prachtausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ im Regal, wo dann später auch Zarah Leander einen schwarzweißen Film-Einspieler hat. Zu Gast bei der Tatort-Arbeit ist Chrysi Taoussanis als kühle Verharmlosungs-Ideologin, eine Geschichtsrelativiererin, die dann doch mit einem zackigen „Heil Hitler!“ ins Telefon bellt, und später als Springerstiefel-Neonazi „Hannelore“ mit schwarzer „88“-Uniform, Barrett, dem Befehlston der SS und mit wüsten Saalschlacht-Manieren.

Das mag gut gemeint sein im „Kampf gegen Rechts“, ist aber völlig missglückt in seinen platten Klischees dieser Neonazis, die endlich wieder weltweit Juden vernichten, die bösen Russen per Blitzkrieg plattmachen, Asylheime abfackeln, Ausländer abstechen und innere Feinde vernichten wollen – was mit der gegenwärtigen politischen Wirklichkeit wenig zu tun haben dürfte. Da verhebt sich das doch eher leicht gedachte Format schwer mit seiner Message. Aber auch hier ist es der Text, der so inbrünstig in etwas anachronistischen Feindbildern suhlt und darin schwächelt, nicht das Spiel der Mimen.

Die machten das richtig klasse und bekamen den entsprechenden Applaus dafür.

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