Bühne

Lindenhof – „Halbe Hütte“

Das Melchinger Lindenhoftheater bringt die schwäbische Farce „Halbe Hütte“ auf seine Scheunenbühne

MELCHINGEN. Eine Farce ist zwar auch eine französische Fleischfüllung, hierzulande aber hat sich die Bedeutung einer Groteske, einer Lächerlichkeit, einer Posse mit einem Schuss an Unglaublichem festgesetzt: Kopfschütteln als Folge, aber auch Komik, ungläubiges Lachen. Im Fall des Stücks „Halbe Hütte“, das am Freitagabend seine gefeierte Premiere in der ausverkauften Scheune des Melchinger Lindenhofs hatte, geht es vor allem um die Bürokratie und ihre Auswüchse.

Hinten ein Jägerstuhl vorne ein Bläserquartett: Andreas (Luca Zahn) ist zurück in der schwäbischen Heimat.
Foto: Martin Bernklau

Die Autor-Regisseurin Edith Ehrhardt hat den wirklichen Stoff und den Titel bei dem Dokumentarfilmer Andreas Geiger geborgt, dem sie genau so wirklich widerfahren ist. Was sich da zugetragen hat in Donzdorf am Göppinger Rand der Schwäbischen Alb, das geht ungefähr so: Nachdem ein reicher Jagdherr ein vordem staatliches Waldgebiet erworben hatte, stellte sich heraus, dass die in den Dreißigerjahren errichtete Gütleshütte an der Grundstücksgrenze, die der Besitzer des benachbarten Schinderwasens gerade an seinen Sohn weitergeben wollte, genau auf dieser Grenze liegt und zu mehr als der Hälfte in den neuen privaten Jagdgrund hineinragt.

Der neureiche Landlord und Jagdherr erklärt nicht nur der Sommer’schen Hütte seinen Krieg, er sperrt auch noch angestammte öffentliche Wege für Hunde, Pferde und Wanderer. Fotos: Martin Bernklau

Das bizarre bürokratische Hin und Her um 31 Quadratmeter Hüttenanteil ist schon als reine Reportage ein Selbstläufer von hohem Unterhaltungswert. Mit viel Witz, schwäbischem Tiefsinn und auch musikalisch (von Julia Klomfass) verdichteter Heimatliebe ergänzt, krönt diese aberwitzige Geschichte eine Pointe, die zwar wie absurdes Theater wirkt, aber offenbar vollkommen der Wirklichkeit entnommen ist.

Das Regionaltheater von der Alb darf da wieder ganz bei sich sein und bei seinen Wurzeln: diesem unvergleichlich reichen Dialekt und der schwäbischen Lebenswelt, die hier mit zugereistem Reichtum in Konflikt gerät – also die klassische Lindenhof-Kombination mit lokaler Gegenwart oder jüngerer Zeitgeschichte. Ein wenig als Zugereister darf auch der Sohn und Erbe gelten, dessen Schwäbisch schon von ziemlich viel Hochsprache durchsetzt ist. Luca Zahn stellt genau das auch sprachlich wunderbar dar. Der alte Bruddler, der Sommer Helmut hingegen ist eine Paraderolle für das Melchinger Urgestein Berthold Biesinger. Er glänzt aber auch in einigen anderen Nebenrollen vom Bürgermeister über den coolen Jazzer bis zum einflussreichen Dorforiginal Gernot.

Was Schwaben so alles machen mit ihren Hütten: Die Jägerin in Pelz und den Leo-Leggins will die ihre dem jungen Sommer (Luca Zahn) sogar samt Trophäen überm Sofa als Liebesnest andienen. Foto: Martin Bernklau

Auf Hannah Im Hof, Rino Hosennen und Linda Schlepps sind die zahllosen kleineren und Kleinstrollen verteilt, die der Inszenierung ihr Buntes, Abwechslungsreiches und auch ihr Tempo geben. Die drei Ensemble-Mimen machen das durchweg gut und heben das ganze theatralische und vor allem komödiantische Potential dieser Charaktere. Als geistlicher Beistand und dörflicher Hochwürden im Talar lockt Rino Hosennen zum Beispiel richtige Lacher im Publikum heraus. Auch motivische Running Gags wie das ultra-kurzangebundene schwäbische „Post!“ kommen richtig gut an.

Mit einem Bläserquartett im Bürgersaal, den Barbara Fumian gestaltet hat, beginnt das Stück – und endet mit einer Huldigung, einer Hymne an die Heimat, die auch wieder von den Instrumenten begleitet wird.

Das Ensemble in der „Halben Hütte“. Foto: Lindenhof

Beifall gab’s bei der öffentlichen Probe, die aus Termingründen Grundlage für diese Kritik sein musste, nicht – das bringt Unglück, wissen die abergläubischen Theaterleute. Aber kaum vorstellbar, dass die „Halbe Hütte“ bei der Premiere nicht genauso überschwänglich gefeiert wurde wie diese surrealistisch erscheinende, aber tatsächlich in der Wirklichkeit so gefundene Lösung dieses bizarren bürokratischen Konflikts zwischen dem reichen Landlord und den alteingesessenen Leuten vom schwäbischen Land.

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