Musik

Klavierduos – Bis zu acht Händen

Bei einem Gesprächskonzert im Reutlinger Spitalhofsaal musizierten und plauderten die Klavierduos Jost-Costa und GrauSchumacher

REUTLINGEN. Gesprächskonzerte sind ein ganz wunderbares Format – erst recht, wenn sie sich einem so exotischen Genre wie dem vielhändigen Klavierspiel widmen, vier exquisite Musiker zusammenspielen und auch noch so kenntnisreich wie unterhaltsam darüber plaudern können. Die beiden Klavierduos aus Andreas Grau und Götz Schumacher – sie hatten am Vorabend bereits in der Stadthalle ihren Auftritt – sowie dem Ehepaar Yseult Jost und Domingos Costa traten am Samstagabend vor das Publikum im fast vollbesetzten Reutlinger Spitalhofsaal. Dort hatte es zuvor, auch als Sonderkonzert im Kammermusikzyklus, ein ebenso gutbesuchtes Familienevent gegeben.

Die Folge von kleinen „Encores“, also Zugaben, hatte noch etwas ganz Besonderes: Sie war von Leopold Godowskys „Elegie für die linke Hand“, mit der Yseult Jost in kraftvoll aufblühenden Bögen und funkelndem Anschlag begann, in aufsteigender Zahl bis zu Albert Lavignacs „Galop Marche für ein Klavier zu acht Händen“ aufgebaut. Da wurde es dann schon sehr eng, nicht nur auf der Tastatur, sondern auch auf de Sitzbank dahinter. Hin und wieder musste sich jemand beiseitelehnen oder gar rückwärts ein wenig abtauchen.

Solo für die linke Hand: Yseult Jost. Foto: Martin Bernklau

Eine besondere Berühmtheit hat Musik für die linke Hand durch Paul Wittgenstein bekommen, den Bruder des Philosophen, und zwar eine trauurige. Der hochbegabte und schon erfolgreiche Pianist hatte im ersten Weltkrieg den rechten Arm verloren. Von Hindemith bis Prokofjew schrieben befreundete Musiker für ihn und seine verbliebene linke Hand, darunter auch Godowsky. Mit Maurice Ravel überwarf er sich allerdings bei der Uraufführung des Klavierkonzertes D-Dur im Jahr 1932 in Wien.

Das Prélude Nr. 13 fis-Moll von Frédéric Chopin (1810 bis 1849) hatte sich Andreas Grau als normales, also zweihändiges Solostück ausgesucht und darauf hingewiesen, dass der Franzose neben Domenico Scarlatti der einzige fast vollständig dem Tasteninstrument ergebene Komponist gewesen sei. Und er spielte das Stück ganz weich mit viel Gefühl und legitimerweise viel Pedal.

Für Igor Strawinskys „Drei leichte Stücke“, die keineswegs leicht sind, kam als Basstimme die rechte Hand von Götz Schumacher hinzu. In seiner Vielfalt und Genialität ließe sich der gebürtige Russe, der später nach Paris und schließlich nach Hollywood ging, als ein Picasso der Musik bezeichnen. In Marsch, Walzer und Polka packten die drei Musiker mitreißend alles hinein, was Strawinsky (1882 bis 1971) auszeichnet – von der reichen Rhythmik und Melodik über sanfte Eleganz bis zur energiegeladenen Motorik seiner Repetitionen.

Das Duo Jost-Costa – sie oben, er unten – widmete sich dann in fantastischer Geläufigkeit dem klassischen vierhändigen Spiel mit dem brillant übermütigen Scherzo aus den „6 Morceaux opus 59“ von Louis Théodore Gouvy (1819 bis 1898).

Begeisterter Jubel im Spitalhofsaal um Andreas Grau, Domingos Costa, Yseult Jost und Götz Schumacher (von links). Fotos: Martin Bernklau

Der Komponist Steffen Schleiermacher, 1960 geboren, hat viel mit dem Duo GrauSchumacher zusammengearbeitet. Er kam der Bitte schnell nach, seinem rhapsodischen Stück „Wunderlaut“ die Stimme einer fünften Hand beizufügen, was Domingos Costa übernahm. Bei „Valse“ und „Romance“ von Sergej Rachmaninow, die rhythmisch beide sehr schön schwangen, gesellte sich Götz Schumacher beidhändig dem Duo Jost-Costa hinzu.

Beim achthändigen Finale mit dem „Golop Marche“, einem Spaß von Albert Lavignac (1846 bis 1916), wurde es tatsächlich eng. Das hörte man aber nicht, man sah es nur: Alles klang sauber ausdifferenziert Und nach dem riesigen Beifall für die zwangsweise etwas zirzensische Nummer folgte eine Zugabe in der gleichen Besetzung von Cécile Chaminade. Man sah auch im Publikum beglückte Gesichter.

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