Auf der „Löwen“-Bühne des Tübinger Zimmertheaters hat die dritte Episode von „Im Taumel des Zorns“ Premiere
TÜBINGEN. Da warn es nur noch drei. Für die dritte Episode seines siebenteiligen Serials „Im Taumel des Zorns“ hat das Tübinger Zimmertheater sein Bühnenpersonal ausgedünnt. Die Premiere am Abend von Dreikönig an der neuen Spielstätte im alten „Löwen“-Kino, Kornhausstraße, war nicht ganz ausverkauft. Aber das Projekt hat sich so etwas wie eine treue Fan-Gemeinde erspielt.
Der verbliebene Cliffhanger aus Teil 2, ein Schuss aus dem Trommelrevolver, erwies sich nun als eher harmloses Versehen. Aber nervös ist die Gang doch geblieben. Das Trio war in eine Krankenhausapotheke eingebrochen, um an Betäubungsmittel zu kommen. Doch war Holle und ihren Freunden, dem schwulen Paar aus dem Journalisten Enno und dem Apotheken-Bufdi Ove, die Sache etwas entglitten. Oves vorgesetzte Kolleginnen waren aus unerfindlichen Gründen nächtens am Arbeitsplatz und mussten als Geiseln genommen werden.
Mit der Polizei verhandelt man nun um die Freigabe von dringend benötigten Krebs-Medikamenten gegen Verpflegung und gegen Beischaffung eines Fernseh-Teams. Denn nach Ennos Idee soll der Coup zu einer Aktion gegen finstere Machenschaften im lokalen Gesundheitswesen umgewidmet werden. Die polizeiliche Unterhändlerin verlangt ein Video als Lebenszeichen der Geiseln.
Die beiden Damen treten in dieser Episode nicht mehr auf. „Teichoskopie“ heißt das Theaterverfahren: Es wird geschildert, wie sie in einem Nebenraum an ihre Stühle gefesselt schmachten. Die Story stammt diesmal von Leonie Lorena Wyss, Regie führt Magdalena Schönfeld. Gleich bleibt die stilisierte Bühne aus sechs weißen Podest-Gestellen, deren Herumschieben eher wie Beschäftigungstherapie als dramaturgisch bedeutsam wirkt. Laut Plan sollte in jeder Episode die Perspektive auf andere Protagonisten wechseln. Da war jetzt Holle dran, Eva Lucia Grieser als das Mastermind, die sich zuvor als sterbenskrank erwiesen hatte. Aber gleich zu Beginn reißt sie in Hängematte herunter, in der sie in Folge 2 ihrem unerbittlichen Krebstod entgegen zu siechen schien.
Weil sich tatort-mäßig nicht gar so viel tut, faltet Holle nun in Rückblenden ihr Leben ein wenig auf: den Wunsch, nach einer Schneiderlehre zur Designerin zu werden; die Träume von einer Bühnen-Karriere – Morris Weckherlin, sonst der schüchterne Ove, gibt als mondän maskierte Mode-Dame im Store und als „Gay-Swift“ mit einer singenden Drag-Performance selbstbewusste Soloauftritte; der dritte Rückblick von Holle gilt der Krebsdiagnose in der Gynäkologie; ein vierter den Vorbereitungen für die eigene Beerdigung bei der Bestatterin.

Da gibt es einen langen Holle-Monolog zu dritt, über die Hydra als Metapher immer neu entstehender Probleme. Das Trio wandert dabei die Stufen hinauf ins Publikum. Aber das chorische Stilmittel erschöpft sich mittlerweile ein wenig und war auch nicht fehlerfrei durchrezitiert. „Was, wenn doch…?“, fantasiert Holle die eigene Wunderheilung herbei. Ole enttarnt sich durch einen Message-Fehler, und mit ihm identifiziert die Polizei auch schnell den Rest. Ole will weg, will von der Fahne einer Aktion, die Enno (Cyril Hilfiker) als öffentlichen Protest aufziehen möchte. Panik ergreift auch die Komplizen. Sie fürchten die Erstürmung durch ein SEK.
Als Cliffhanger zu Episode 4 dient ein Knall, ein Blitz, die vermeintliche Explosion eines Sprengstoffs aus Aceton und Wasserstoffperoxid, den sich das Trio aus chemischen Apotheken-Beständen verschafft und gemischt hat – als Druckmittel, weil das Fernsehteam nicht kommt und die Polizeistimme aus dem Off immer gebieterischer klingt.
Die Story hangelt sich etwas mühsam weiter in dieser Episode. Was fehlt, sind konkrete dramatische Konflikte zwischen den Personen, ob Liebe oder Eifersucht, ob Macht oder Geld oder Mord. Die skizzierte Lebensbilanz der Holle ist eher weniger bühnentauglich, auch wenn sie szenisch aufgemotzt wird und nach Hamlet-Vorbild zum großen Inneren Monolog wächst.
Manche Anspielungen im Text, ob auf Tatort-Ermittler Till Schweiger oder auf Taylor Swift, wollen ein wenig Würze geben. Nett ist auch das kleine Gender-Wortgefecht zwischen Holle und Ove um die „Studentenstadt“ (Tübingen). Ove korrigiert in „Student*innenstadt“ und wird prompt von Holle gebügelt: Aus eines Mannes Mund, und sei er schwul, sei solche Korrektur „paternalistisch“. Naja.
Es geht voran beim Siebenteiler „Im Taumel des Zorns“. Etwas zäh, passagenweise. Bühne und Kostüme wie gehabt, die Musik von Konstantin Dupelius und Justus Wilcken spielt eine etwas wichtigere Rolle als bisher. Aber Manches, gerade alles Leitmotivische, nutzt sich ein wenig ab und verliert an Spannung. Es war die bisher text-lastigste Episode, ein gewisser Mangel an Szenischem war nicht zu übersehen.
Trotzdem Jubel und Juchzen bei den Fans.
