Im gefährdeten Tübinger ITZ bringt Intendant Peer Mia Ripberger sein absurd-komisches WG-Stück auf die alte Gewölbe-Bühne
TÜBINGEN. Dieses Gewölbe-Ambiente in der Bursagasse ist immer wieder faszinierend. Stilwillen strahlt bei Peer Mia Ripbergers Zimmertheater-Stück „Kalter Hund oder: Dackel, die ins Gras beißen“ auch die Einrichtung von Nicola Gördes aus: fast ausnahmslos schwarze Kleidung, schwarze „Freundschafts-Teller“, Terrinen, Tässchen oder Kannen und in crèmegraues Tuch gehülltes Mobiliar samt dem Teppich, unter den eifrig gekehrt wird.
Die Regie des Autors hätte allenfalls noch den geschulten hohen Theaterton von Cyril Hilfiker (Karl) etwas mehr der umgangssprachlichen Diktion seiner Widerparts Jel Woschni als Henrik und Julian Lehr (Rasmus) anpassen können. Auch Karls Ausbruch beim Geldzählen nach dem Geldwaschen gerät gar zu heftig theatralisch im Vergleich. Das Trio spielt trotzdem ausgezeichnet. Aber Ripbergers Text ist eine mittlere Katastrophe: kindisch kalauernd und wortverspielt, mäßig komisch, wenig spannend, dabei aber so sinnfrei belanglos und bedeutungslos wie die banalen Horror-Elemente etwa von der Leiche im Keller . „Theatrale Zukunftsforschung“ sollte so langweilig eigentlich nicht sein. „Im Office“, das Parallel-Stück mit seiner selbstironisch witzigen Wokeness, ist da wahrhaftig weit geistreicher und ergiebiger.
Es fällt auch auf, dass hier ausschließlich Männer am Werk sind: Das WG-Duo, das ein Kind will (oder nicht), das gemeinsame B. Stattungs-Unternehmen (sic!) abgewickelt hat, sowie sein dringlich pochender Besucher, Karls Jugendfreund Richter Rasmus Richter (sic!), dazu der ominöse tiefgefrostete Rüdiger, der immer an allem schuld ist und dessen Geburtstag mit dem Schokokuchen „Kalter Hund“ und mit „Toter Tante“, der Schokolade mit Schuss, sowie einer Girlande aus Radieschen von unten gefeiert werden soll.
Da werden reihenweise Redensarten durchgenudelt („den Löffel abgeben“), wie es schlechte evangelische Kanzelprediger mit einem sprachlichen Opfer zu tun pflegen. Da gibt es Dialoge, die in ihren Wortspielen („Wie geht’s? – „Geht so.“ – „Dann geht’s ja.“) und in ihren öden Repetitionen im Doppelecho (fragend, zweifelnd oder zustimmend) zunehmend nervig wirken. Wenn das Absurdes Theater im Geist von Samuel Beckett oder Eugène Ionesco sein soll, dann kommt es als dürftiges Plagiat mit 70 Jahren Verspätung daher und ohne deren Aura und sprachliche Präzision. Die gleichförmig rieselnde Musik mag so gewollt gewesen sein, bleibt aber weit unter den Möglichkeiten, über die Konstantin Dupelius gebietet. Sehr präzise die Lichtregie.
„Humorvoll“, „lakonisch“, „witzig“, „grotesk“, „rätselhaft“, „skurril“? Naja, mag sein. Aber eher nicht so besonders. Das missglückte Stück, nicht ganz ausverkauft, fand zur zweiten Aufführung trotzdem viel Beifall bei den knapp 50 Besuchern im Gewölbekeller.
Doch es darf gewiss nicht als Rechtfertigung für die Pläne herhalten, dem Zimmertheater die städtischen Zuschüsse zu kürzen – um 25 Prozent, wie Oberbürgermeister Boris Palmer durchblicken lassen hat. Mit einem Appell nach dem Applaus wandten sich deshalb die Schauspieler an ihr Publikum, legitimerweise ein wenig dramatisch zugespitzt auf eine „drohende Schließung“ oder „Insolvenz“ hin.
Den Protest dagegen gleich am Ausgang per QR-Code vorgefertigt zu bekommen, ist allerdings ein etwas arg zukunftsträchtiges Mittel, das einen wirklichen Widerstand der kulturbewussten Stadtgesellschaft eher entwertet: zu einem bloß social-medial gehypeten kleinen Shitstorm, der folgenlos vorüberzieht.