Literatur

Widerstand – Die „Rote Kapelle“ intim

Im Tübinger Museum und im Reutlinger Kamino läuft der Film „In Liebe, Eure Hilde“ über die ermordeten Nazigegner Hilde und Hans Coppi

TÜBINGEN / REUTLINGEN. In der DDR zählten sie zu den Helden des antifaschistischen Widerstands. Im Westen, wo die vielen braungebliebenen Herzen ja schon die rechts-konservativen Stauffenberg-Verschwörer des 20. Juli offen oder heimlich als Hochverräter an Volk und Führer schmähten, blieben sie nahezu unbekannt, sieht man von dem großartigen Monumental-Roman „Die Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss und einer kleinen Fernsehserie um die „Rote Kapelle“ ab: Hans und Hilde Coppi.

Der erfahrene Regisseur und Dokumentarfilmer Andreas Dresen („Gundermann“) hat jetzt nach dem Drehbuch von Laura Stieler „In Liebe, Eure Hilde“ in die Kinos gebracht. Es ist kein politischer, sondern ein zutiefst menschlicher Film, in dem eine großartige Liv Lisa Fries jene Hilde Coppi spielt, die am 5. August 1943 zusammen mit zwölf anderen Frauen der „Roten Kapelle“ unter dem Fallbeil in Berlin-Plötzensee hingerichtete Widerstandskämpferin. Der Stoff beruht auf Erinnerungen und Forschungen des im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße geborenen Sohnes Hans Coppi junior.

Die Köpfe der rund 400 Leute umfassenden lockeren Widerstandsorganisation, die von der Gestapo als „Rote Kapelle“ bezeichnet und lange auf Leopold Treppers von Paris und Brüssel aus agierende Spionagetruppe reduziert wurde, waren am selben Ort schon im Dezember 1942 auf Hitlers persönliche Weisung an Fleischerhaken erhängt worden, darunter Libertas Schulze-Boysen und ihr Mann, der Luftwaffen-Offizier Harro Schulze-Boysen, der Nationalökonom Arvid Harnack, die Journalistin Ilse Stöber und eben Hans Coppi aus einem Berliner Freundeskreis, der neben Hilfe für von der Deportation in die Vernichtungslager bedrohte Juden, neben Plakaten, Flugblättern und anderen mit den Geschwistern Scholl vergleichbaren Widerstandsaktionen auch (letztlich fast erfolglos) versucht hatte, Funkverbindung zum Geheimdienst GRU aufzubauen, um Hitlers Überfall auf die Sowjetunion („Unternehmen Barbarossa“) und die weiteren Angriffspläne zu verraten.

Andreas Dresen erzählt in überwiegend ruhigen Bildern und gedeckten Farben auf zwei Zeitebenen zunächst die Liebesgeschichte von Hilde Coppi und ihrem Mann Hans. Nur beim übermütigen Sommerfest der lebenslustigen jungen Widerständler am Campingstrand und im Wasser eines Berliner Sees kommt die Kamera von Judith Kaufmann mal in etwas wildere Bewegung. Kontrapunktisch gegengezeichnet ist die Haftgeschichte Hilde Coppis vom ersten Gestapo-Verhör an über die wahrhaft schwere Geburt des Sohnes im Frauengefängnis, die Nachricht von der Hinrichtung ihres Mannes und der engsten Freunde bis zur Trennung vom Kind vor der eigenen bitteren Todesstunde, in der sie dem Pastor den titelgebenden Brief an ihre Mutter diktiert, und schließlich der Ermordung, gemeinsam mit zwölf Genossinnen, unterm Fallbeil.

Das ist ein Seelendrama von ungeheurer Intensität, schon mit den hochrealistischen Szenen dieser extrem komplizierten schmerzhaften Gefängnisgeburt beginnend – mit einer gerade in ihrer Zurückhaltung grandiosen Liv Lisa Fries in der Hauptrolle. Aber auch Partner Johannes Hegemann, Filmdebütant vom Hamburger Thalia, schlägt sich ganz gut. Herausragend auch manche Nebenrolle, etwa die mondäne Libertas Schulze-Boysen (Sina Martens), Fritzi Haberlandt als Hebamme oder Lisa Wagner in der Rolle der Nazi-Wärterin, deren pflichtstrenge, kalte Grausamkeit von winzigen Gesten des Menschlichen gebrochen wird.

Es ist ein privater, ja intimer Film über eine zärtlich liebende und tapfere Frau, kein politischer Film – oder nur am Rande. Dafür so bewegend und berührend wie bedrückend. Aber in alten Zeiten, da der Wind des Zeitgeistes noch eher links als klimagerecht und woke wehte, hieß es schließlich: Das Private ist politisch. Gut, dass den Frauen und Männern des linken Widerstands gegen Hitler und seine ganze übermächtige Nazi-Gefolgschaft nach all den Jahren – und jenseits der einstigen DDR-Verehrung und von Peter Weiss – endlich auch ein Denkmal gesetzt wird, ein filmisches und ganz persönliches.

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