Das Neue Kunstmuseum Tübingen eröffnete mit einer Retrospektive auf den Maler Udo Lindenberg – mit ihm selbst und mit viel Prominenz

TÜBINGEN. Es war wohl das gesellschaftliche Ereignis des Jahres für die Stadt. Am Freitagabend eröffnete Bernhard Feil das Neue Kunstmuseum Tübingen seiner „Art 28“ im Industriegebiet Unterer Wert mit einer Retrospektive auf den Maler Udo Lindenberg vor 750 geladenen Gästen. Die Musiklegende selbst stand an der Spitze der langen Reihe von Prominenten, darunter Thomas Gottschalk.

Mit einem umgefallenen Glas Blue Curaçao beim „Udogramme“ schreiben begann es vor 30 Jahren, Eierlikör und blutrote Grenadine folgten: In der Bar seines Hamburger Dauerhotels „Atlantic“ entdeckte Deutschrocker Udo Lindenberg die Farben – und fing an zu malen. Seither steht der Multi-Kreative ständig an seiner Staffelei oder dem Zeichenbrett und bringt „Likörelle“ auf Leinwand und Papier. Was er in diesen drei Jahrzehnten an Gemälden, Zeichnungen, großformatigen Karikaturen und Drucken geschaffen hat, versammelt eine Retrospektive von gut 200 Arbeiten, mit denen der erfolgreiche Kunsthändler Bernhard Feil spektakulär sein Neues Kunstmuseum Tübingen eröffnete. Fast immer bei Udo mit dabei: die Sprache, der Witz, das flapsige Wortspiel, ja die Wortakrobatik.

In nur 14 Monaten haben Bernhard Feil und Co-Chef Stephen Hamann an der Südostecke des Industriegebiets Unterer Wert einen gleichfalls spektakulären Neubau des Architekten Albert Eisele hochziehen lassen: eine Brückenkonstruktion in sachlicher Bauhaus-Ästhetik, halb Industriehalle, halb Basilika. Der Benediktiner-Abt Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei in Jerusalem weihte das neue Museum vor der Eröffnung und gab seinen Segen.
Die Schauspielerin Sandra Quadflieg begrüßte die Gäste. Neben Gottschalk war zum Beispiel auch Alt-68 Rainer Langhans von der legendären „Kommune 1“ aus München angereist. Von der lokalen Prominenz fehlte wahrscheinlich niemand: neben dem OB, der Landes-CDU-Chef Manuel Hagel später als „zukünftigen Ministerpräsidenten“ vorstellte, war Landrat Jürgen Walter zugegen, Notärztin Lisa Federle natürlich und Klinikchef i.R. Michael Bamberg, aber auch Granden wie der einstige Balinger Ausstellungsmacher und Dettinger Gartenschöpfer Roland Doschka, zahllose Künstler aller Genres und Journalisten aller Medien. Noah Fischer, Saxofonist in Lindenbergs Panik-Orchester, leitete musikalisch mit Instrumentalversionen wichtiger Lieder ein.

Bauherr Bernhard Feil drückte in seiner Begrüßung zwar seinen Stolz aus auf sein neues Haus, die Ausstellung und die illustren Gäste, aber vor allem auch bescheidene Dankbarkeit für alle, die bis zum letzten Moment vor dem Event an dem ultraschnell fertiggestellten Projekt mitgearbeitet hatten. Dankbar und stolz auf den neuen Kunsttempel zeigte sich danach auch Boris Palmer in seinem Grußwort. In einer kurzen Gesprächsrunde stellten sich der Architekt Albert Eisele, CDU-Chef Manuel Hagel aus Stuttgart, der Benediktiner-Abt aus Jerusalem und Schauspieler Philipp Danne als „Botschafter des NKT“ den Fragen der Moderatorin.
Die launige Festrede in makellosem Deutsch hielt mit Simon de Pury einer der berühmtesten Kunstvermittler, ehemaliger Sotheby’s-Chefauktionator. Trotz intensiver Kontakte bei den legendären Kunsthallen-Ausstellungen (Cezanne, Renoir) zu Götz Adriani, auch zu den Balinger Kunst-Events, war er noch nie zuvor nach Tübingen gekommen und zeigte sich begeistert von der Stadt, dem neuen Museum und den Lindenberg-Exponaten.

Begeistert zeigte sich auch ein Anderer: Als schon fast keiner mehr damit gerechnet hatte, trat Udo Lindenberg doch noch leibhaftig vor die entzückt applaudierenden Gäste. Der Hesse-Fan von Jugend auf erzählte, dass er die Lehrbuchhandlung seines literarischen Idols, Heckenhauer am Holzmarkt, besucht habe, erzählte von den Anfängen seiner Malerei und von seinen Beziehungen in die Region: vor allem in der Hessestadt Calw hat er sich vielfältig auch als Stifter und Förderer engagiert.
Auf drei Stockwerken sind Lindenbergs Werke ausgestellt, ein Kosmos, ein „Udoversum“, nach Leitthemen sortiert. Zahllose Künstler wie der große Schauspieler Armin Müller-Stahl, ein Günter Grass oder ein Bob Dylan haben sich mit der Malerei versucht. Aber trotz beachtlicher Ergebnisse hat es keiner in die erste Reihe geschafft. Bei Udo Lindenberg ist das anders: Wie in der Musik und mit ihren Texten hat er sich ein eigenes Genre geschaffen und damit allen Vergleichen enthoben. Es ist eine Mischung aus Malerei, Zeichnung, Karikatur und Plakatkunst in denen er sich über die unübersehbare Begabung hinaus auch hoch beachtliche handwerkliche Fertigkeiten angeeignet hat.

Am späten Abend – Udo Lindenberg ließ noch geduldig in einem Nebenraum mit sich plaudern und zeigte sich „absolut angetörnt“ von der spektakulären Vernissage – ging die feierliche Eröffnung in eine After-Opening-Party über.
Adresse: Neues Kunstmuseum Tübingen, Schaffhausenstraße 123. Dauer: bis 15. Juni 2025. Öffnungszeiten: Mo-Sa, 10 bis 18 Uhr.
Titelfoto: Art 28
