Musik

Trio Orelon – Stürmische Spielfreude

Das Kammermusikensemble aus Köln musizierte am Samstagabend bei den Sommerkonzerten im Sommerrefektorium von Kloster Bebenhausen

BEBENHAUSEN. Muss wirklich alles nach Art des Boulevards dramatisiert werden? Dieser Trend erfasst offenbar auch die Kammermusik. Zu erleben war das am Samstag beim Auftritt des Trio Orelon im Rahmen der Sommerkonzerte im Kloster Bebenhausen.

Das Trio Orelon im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen. Fotos: Susanne Eckstein

Vielleicht wirkt sich auch die schwüle Hitze aufs Musizieren aus – in diesem Fall waren alle Beteiligten froh über die Kühle im stillen Sommerrefektorium; der Besuch war erneut sehr gut. Aufs Podium trat das Trio Orelon, benannt nach dem Esperanto-Wort für „Ohr“, international besetzt mit Judith Stapf (Violine), Arnau Rovira i Bascompte (Violoncello) und Marco Sanna (Klavier). Die drei haben sich an den Musikhochschulen Köln und Berlin zusammengefunden; das Trio gründeten sie 2018 in Köln, ihr Debüt-Album präsentiert Werke von Amy Beach.

Judith Stapf (Violine), Arnau Rovira i Bascompte (Violoncello) und Marco Sanna. Foto: Trio Orelon

Ihr Programm begannen sie mit einem der kurzen, frühen Klaviertrios von Joseph Haydn, dem in Es-Dur (Hob. XV:10). Das vermeintlich heiter-schlichte Tonwerk erwies sich in diesem Fall als geradezu romantisch, gewandet in opulente Klangfülle und dramatische Spielfreude. Ging es den dreien dabei um Haydns Musik oder um die mitreißende Wirkung?

Auf jeden Fall überzeugten sie durch waches Zusammenspiel und sichere Technik; dass der Flügel bei Haydn klanglich im Vordergrund stand, ist musikhistorisch bedingt. Wieviel Dominanz ihm ansonsten zusteht, entscheidet das Ensemble; es überließ Marco Sanna auch danach die tonangebende Rolle öfter als nötig.

Die weitere Abfolge widmete sich ausschließlich Werken von Antonín Dvořák. Rein kompositorisch sind die beiden Klaviertrios so unterschiedlich, dass es niemand dabei langweilig werden kann: tänzerisch-folkloristisch die Reihung der „Dumky“-Trios (op. 90), gewichtig und komplex das 40-minütige f-Moll-Trio (op. 65).

Wobei es mit der „Folklore“ bei Dvořák nicht so einfach ist, wie der oft verwendete Gemeinplatz vom „böhmischen Musikanten“ glauben macht. Ende des 19. Jahrhunderts war Böhmen noch Teil der k.&k.-Monarchie, in Prag bekämpften sich tschechisch-slawische Separatisten und Anhänger der deutsch-österreichischen Richtung. Antonín Dvořák gehörte beiden Kulturen an, er sprach und schrieb deutsch wie tschechisch, und seine Musik verbindet beide Elemente zu einer hinreißenden Mischung. Gerade das f-Moll-Trio schrieb er 1883 gleichzeitig mit einer „Hussiten“-Ouvertüre und verwendet im zweiten Satz den Hussiten-Choral „Die ihr Gottes Kämpfer seid“ als durchlaufendes Thema und – vielleicht – als nationales Statement.

In den Werkeinführungen wird eher auf die familiär-biographische Seite abgehoben, die Umsetzung setzt meist auf Leidenschaftlichkeit. Wie auch in diesem Fall: Die auf slawischen (nicht „böhmischen“!) Tänzen beruhende „Dumky“-Folge zeigte unter den Händen des Trio Orelon Temperament und Emotion in einem so hohen Maß, dass man nicht anders konnte, als sich hineinziehen zu lassen in wilden Tanz und Teufelsgeigerei; die ruhigeren Passagen ließen erahnen, dass die beiden Streicher auch über differenzierten Ausdruck und zarte Färbungen verfügen.

Die Partitur des großen f-Moll-Trion ist schon so vollgepackt mit kontrastreichen Dynamik-Vorschriften und düsterer Leidenschaft, dass zusätzliche Effekthascherei fehl am Platz ist. Genau dieser Tendenz folgte jedoch das Orelon-Trio, stilistisch dominiert durch den temperamentvollen Pianisten. Der Kopfsatz wirkte opernhaft, mit großen Gesten, heißer Glut und plakativer Emotion, das Scherzo eher kraftvoll als graziös, der langsame dritte Satz schwelgerisch bis theatralisch, und der Finalsatz trumpfte auf mit stürmischer Spielfreude.

Das Publikum ließ sich begeistert mitreißen, bejubelte die Künstler und wurde mit Kreislers kleiner „Syncopation“ wieder in die schwüle Außenwelt entlassen.

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