Bühne

Tonne – „Heiner, bis gleich!“

Nicht nur seine Randgruppencombo huldigt in Reutlingen dem im August verstorbenen Theatermusiker Heiner Kondschak

REUTLINGEN. Er schwebte über dem Ganzen. Zahllose Fotos erinnerten beim Gedenkabend im restlos besetzten Saal der Reutlinger Tonne an Heiner Kondschak, der im August 69-jährig gestorben war. Unter dem Titel „Heiner, bis gleich!“ hatten viele Freunde und Kollegen aus der regionalen Szene diese Hommage an den Theatermusiker und Theatermacher zusammengetrommelt, darunter auch die von ihm gegründete Randgruppencombo, die sich seit 22 Jahren vor allem dem Liedgut von Gerhard Gundermann widmet, dem proletarischen DDR-Barden und Baggerfahrer aus dem Braunkohlerevier der Lausitz.

Heiner Kondschak. Foto: Homepage Kondschak

Das Duo aus Dietlinde Elsässer und Jakob Nacken am Klavier eröffnete und moderierte den Abend für den „Tausendsassa“, „zotteligen Hünen“, der einst aus Uelzen ins schwäbische Hirrlingen gekommen war, um als Komponist und Poet, Schauspieler, Regisseur, Leiter des Kinder- und Jugendtheaters am Tübinger LTT und regelmäßiger Mitarbeiter an der Tonne wie am Theater Lindenhof, als Sänger, Komiker und Schöpfer von Musiktheater-Events die Szene zu prägen wie kaum je ein Anderer. Man wolle nicht nur trauern und erinnern, sondern „sein Leben feiern“, sagte die schwäbische Comedian, für die er immer wieder Texte vertont und Lieder geschrieben hat.

Dietlinde Elsässer und Jakob Nacken. Fotos: Martin Bernklau

Jakob Nacken bot musikalisch oder gesprochen ein paar poetische Juwelen des wortverspielten Dada-Dichters Heiner Kondschak an, wie den „Tausendfüßler“ oder die „Elefanten“-Miniaturen des bekennenden Tierliebhabers und Katzenfreunds. Dietlinde Elsässer begleitete er bei den schlichten und eingängigen Vertonungen von Hölderlin bis Christian Wagner, dem immer noch verkannten Bauerndichter aus Warmbronn. Siehe da: Sie kann sogar richtig gut singen, die Schwaben-Komikerin schlechthin!

Kondschak war Ausdruck stets wichtiger als exquisiter Klang. Mit den eingedeutschen Liedern von Jacques Brel aus einem gemeinsamen Programm zeigte das Tonne-Schauspielerin Chrysi Taoussanis mit „Amsterdam“, „Geh nicht fort von mir!“ oder „Adieu“, einfühlsam begleitet vom Akkordeonisten Wolfram Karrer und Bernhard Mohl an der Gitarre, der – ebenso wie Tonne-Mime David Liske mit seiner Ukulele und Lyrik von Robert Gernhardt – auch eindrückliche Sololieder sang, darunter Vertonungen des französischen Balladen-Dichters und spätmittelalterlichen Erotomanen François Villon („Ich bin so wild auf deien Erdbeermund“) über die Geliebte mit dem roten Haar.

Ein ganz wichtiger Kondschak-Partner war in Lübeck unabkömmlich, ließ sich aber per Video einspielen: Komiker Helge Thun, mit dem Kondschak lange Jahre lang höchst erfolgreich als Duo „Der Schöne und das Biest“ durch die Lande weit über die Region hinaus getingelt war. Es gab, etwa von Bernhard Mohl, auch kurze Anklänge an die von Heiner Kondschak für verschiedene Chöre und Ensembles arrangierten Musikevents etwa über Woody Guthrie oder Pete Seeger, aber auch John Lennon und Bob Dylan.

Bei seiner 1999 gegründeten Randgruppencombo hatte der Multiinstrumentalist Heiner Kondschak neben dem Schlagzeugprofi Christian Dähn allen acht oder neun Laienmusikern und -sängern, darunter Schauspieler Rupert Hausner, eigene Instrumente anempfohlen. Mit dem Gundermann-Programm ging die Truppe 2001 erstmals auch in die damal extrem wessi-allergische Ex-DDR auf Tournee und wurde dort völlig überraschend mit offenen Herzen und riesiger Begeisterung aufgenommen, wie Uschi Berberich in ihren biografischen Notizen berichtete. Natürlich wurden auch Anekdoten erzählt und markante Kondschak-Sprüche weitergegeben.

Dem Querschnitt aus großen Gundermann-Liedern wie „Gras“ oder „Keine Zeit mehr“ oder „Die Zukunft“ war anzuhören, wie tief diese Lieder Kondschak, den West-Entdecker des ostdeutschen Barden, und seine Combo-Leute mit dem Schaffen des (übrigens gleichaltrigen), 1998 gestorbenen Gerhard Gundermann verband. Großer Beifall für alle Beiträge.

Beifall für den Mentor, Kollegen und Freund Heiner Kondschak. Foto: Martin Bernklsu

Besonders berührend war, wie die Musiker, Schauspieler und Sprecher sich nach der finalen Nummer im Applaus des Publikums umwandten und ihrerseits dem Kondschak-Bild hinter ihnen langen Beifall zollten. Da flossen viele Tränen.

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