Musik

Stiftskirche – Chor zweier Hochschulen

Der Ökumenische Chor der Kirchenmusikhochschulen von Rottenburg und Tübingen sang Mozarts „Requiem“ und Zelenkas „Miserere“

TÜBINGEN. Am Vorabend hatte Marius Mack im Dom zu Rottenburg noch selber dirigiert. Am Sonntagnachmittag ließ er in der Tübinger Stiftskirche seine Eleven an Stab und Pult, darunter drei Studentinnen. Mit dem Ökumenischen Chor der Kirchenmusikhochschulen aus beiden Städten hatte der Professor als turnusgemäßer Leiter in diesem Semester neben Mozarts Requiem auch das „Miserere c-Moll“ des „böhmischen Bach“ Jan Dismas Zelenka einstudiert. Das feine Kammerensemble der Camerata viva und vier ausgezeichnete Vokalsolisten komplettierten die Besetzung.

Das Quartett der Vokalsolisten. Foto: Martin Bernklau

Man weiß nicht besonders viel über den in Prag geborenen Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745). Er war Kontrabassist und vertretungsweise lange Jahre Kapellmeister am Dresdner Hof des zum Katholizismus konvertierten sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs Augusts des Starken. Sein Ruhm als höchst bedeutender Barockkomponist von ganz eigenem Klang und Stil setzte es lang nach seinem Tod ein.

Die Karwochen-Komposition seines „Miserere c-Moll für Sopran, Chor und Orchester“ ist ein schönes Beispiel für seine Tonsprache mit ihrer strengen Kontrapunktik einerseits und einer sehr freien, harmonisch besonders farbigen Ausdruckskraft. Auch die Punktierungen, mit denen das Orchester den Beginn so suggestiv, fast orgelpunktartig begleitet, sind typisch für ihn. Als Sopransolistin war für die erkrankte Haus-Professorin Ulrike Kristina Härter Alice Fuder eingesprungen, die nicht nur mit ihrem strahlenden Spitzenton im Gloria glänzte.

Die eingesprungene Sopransolistin Alice Fuder (Mitte). Foto: Martin Bernklau

Auch die anderen Vokalsolisten – bei Mozart überwiegend als Quartett eingesetzt – waren erstklassig und haben enge Beziehungen zur Musikhochschule der Evangelischen Landeskirche im barock anmutenden Jugendstil-Palais, dem Schwabenhaus in der Gartenstraße, oder der katholischen Hochschule am Hang über der Bischofsstadt. Christine Müller als gefragter Konzert-Mezzo mit dem Alt-Part ist auch Dozentin in Rottenburg, genau wie der Tenor Jürgen Ochs, katholischer Bezirkskantor aus Rastatt. Der Tübinger Georg Benz ist studierter Sänger und mit seinem hellen Bariton gleichfalls gefragter Solist, im Hauptberuf allerdings Lehrer für Musik und Mathematik.

Interessant war, dass alle vier Solisten sich noch ein geschmackvolles Vibrato erlaubten, das bei Chören, auch diesem stimmlich und musikalisch hochversierten Hochschulchor, inzwischen weitgehend vermieden wird. Fünf fortgeschrittene Studenten aus den Chorleitungsklassen teilten sich in geschmeidigem Wechsel das Dirigat der beiden Werke: Simon Forberg, Magdalena Huber, Christian Litges Fiona Podolski und Sarafina Schenk. Die sehr solide Schlagtechnik fiel bei allen auf.

Volle Konzentration im Ökumenischen Hochschulchor. Foto: Martin Bernklau

Der Chor war klanglich gewissermaßen etwas deutungsoffen eingestellt, aber absolut sicher in den Einsätzen. Werdende Profis eben, allesamt. Die springlebendige und im Ton elegant leichte Camerata viva zeigte unter der Führung von Konzertmeisterin (und der Kontrabassistin!) – im ganz positiven Sinne – bei aller Aufmerksamkeit gegenüber dem Dirigat eine gewisse gestalterische Selbstständigkeit, manchmal mit einer starker Kontur und „sprechenden“ Akzenten.

Die Schlüsselstücke vom Mozarts Requiem hatten auch im Chor viel Eigenes, ohne zu weit von einem gewissen Konsens abzuweichen: Flächig und nicht gar zu zagend der Introitus, bei markanteren Streichern, eine markante, sehr rasche Kyrie-Fuge, das nicht gar zu wilde „Dies Irae“. Die ätherischen Frauenstimmen im als Kontrast im wühlenden „Confitatis“ klangen auch ohne Vibrato himmlich abgehoben, das „Lacrimosa“, die letzten originalen Noten, die Mozart niederschrieb, war nicht ganz so mystisch langsam wie es manche zelebrieren. Die übrigen Sätze der von Franz Xaver Süßmayr fertiggestellten Fassung waren auch einwandfrei. Sein (ganz eigenes) Benedictus sang das Solistenquartett in wunderbarer Abstimmung untereinander, aber auch mit den anderen Interpreten.

Chorleitungs-Professor Marius Mack kündigt die Umbesetzung beim
Solosopran an. Foto: Martin Bernklau

Nach halbwegs angemessener Stille gab es langen Beifall für alle Beteiligten, der noch einmal aufbrandete, als man den Spiritus rector Marius Mack in die Mitte rief.

Die fünf Dirigenten, vier Vokalsolisten, das (verdeckte) Orchester Camerata viva und der Ökumenische Hochschulchor nehmen in der ganz gut besetzten Tübinger Stiftskirche langen Beifall entgegen. Fotos: Martin Bernklau

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