Gudni Emilssons Tübinger Kammerorchester eröffnet mit dem Violinsolisten Peter Weimar die Sommerkonzertreihe im Kloster Bebenhausen
BEBENHAUSEN. Draußen regnete es am frühen Samstagabend, kaum Ausflügler in Bebenhausen. Aber das Sommerrefektorium der Klosters füllte sich trotzdem ganz gut, als Gudni A. Emilsson und sein Tübinger Kammerorchester zusammen mit dem Konzertmeister und Solisten Peter-Martin Weimar die diesjährige Reihe der Sommerkonzerte eröffneten.

Zwar haben das 1957 von Helmut Calgéer gegründete Orchester wie auch die sommerliche Musik in unvergleichlicher Umgebung unter der Corona-Zwangspause nachhaltig gelitten. Doch auch mit Hilfe einiger toller Stimmen von der Württembergischen Philharmonikern der Nachbarstadt Reutlingen – auch der Violinsolist Peter Weimar gehört dem Sinfonieorchester an – ließ sich ein süffiger und stringenter Streicherklang bewahren. Und auch sein Stammpublikum hat den Bebenhäuser Sommerkonzerten ganz offenbar die Treue gehalten.
Seines Namens wegen wird der späte Romantiker Gustav Holst (1874 bis 1934) auf dem Kontinent oft für einen Skandinavier gehalten. Er gehört aber auf der Insel nicht nur wegen seiner siebenteiligen sinfonischen „Planeten“-Suite zur ersten Garde der englischen Komponisten. Und das hörte man bei seiner kurz vor diesem einflussreichen Werk komponierten St. Paul’s Suite opus 29 nur zu deutlich: In allen vier Sätzen konnte man sich ohne viel Fantasie Dudelsack-Klänge vorstellen, in Harmonie und Melodik klang unverkennbar der Ton englischer Volkstänze und Lieder durch.
Bis auf den gedämpften Ostinato-Satz, den zweiten, dessen durchgehender Vierton-Motivik trotz der Girlanden in der zweiten Geige naturgemäß eine gewisse schreitende Schwerfälligkeit eigen sein muss, glänzte das Orchester mit Temperament ebenso wie mit einer Transparenz, die gerade den Kontrasten, etwa im fast rondohaften Intermezzo, eine klare Kontur gaben. Kein Problem bei den Hämiolen und Gegenrhythmen des Finales, das Holst nach dem barocken „Dargason“-Tanzmuster gefügt hat.
Eine wunderbare Melange spanischer und wienerischer Muster stellen die Stücke für Solovioline und Kammerorchester aus „La vida breve“ von Manuel da Falla (1876 bis 1946) dar, deren folkloristischer Glut der große Geiger Fritz Kreisler, ein Jahr zuvor in Wien geboren und steinalt im Jahr 1962 in New York gestorben, noch ein paar hochvirtuose Glanzlichter aufgesetzt hat. Mit ansteckender Spielfreude und großer Souveränität bewältigte Peter Weimar die geigerischen Kabinettstückchen, die sowohl die linke Griffhand (mit Arpeggien, Läufen und Pizzicati) aufs Höchste fordern, sondern auch alle denkbaren Bogentechniken der Rechten.

Auch Johannes Brahms (1833 bis 1897) zeigt im Ungarischen Tanz Nr. 2 sein Faible für violinistische Virtuosität und für folkloristischen Schwung, doch vielleicht nicht ganz so demonstrativ wie ein Kreisler, der späte Vertreter einer genialischen Teufelsgeiger-Gilde. Die größeren, atemholenden Bögen dieses Stücks unterstützte der Solist auch mit einem klaren und geraden Strich.
Von Edward Elgar (1857 bis 1934), wie Holst ein Spätromantiker, der nicht nur seiner britischen Zweit-Hymne wegen („Pomp and Circumstances“) zum Kerninventar der englischen Musik zählt, kennt man vor allem seine „Enigma“-Variationen, die grandiose Liebeserklärung an seine Frau. Sein „Salut d’amour“ hat die Liebe schon im Titel und ist ein wunderhübsches Ständchen, das ganz wenig von englischer Steifheit und viel von französischer Eleganz zeigt. Genau den richtigen zärtlichen Ton dafür fanden der Solist und das von Gudni Emilsson suggestiv variabel, aber doch mit feiner Präzision geführte Orchester.
Der Beifall – vor allem für den trotz Studium in New York und Erfolgen in Europa und Übersee offenkundig in seiner Heimat hochgeschätzten Konzertmeister und Solisten – wollte gar nicht enden. Eigentlich wäre eine Zugabe fällig gewesen. Aber darauf hatte sich Peter Weimar nicht eingestellt.
Weil die Sommerserenaden im Kloster auch schon immer ein gesellschaftliches Ereignis waren, gab es eine ausgedehnte Pause mit Sekt und Snacks rund um den unvergleichlich schönen Hof des Kreuzgangs (nur den Römischen Brunnen hat Maulbronn der zisterziensischen Schwester-Abtei Bebenhausen da voraus). Weshalb wir, zu einem Theatertermin verpflichtet, nicht einmal mehr ein Stück weit hineinhören konnten in Béla Bartóks großartige „Rumänische Tänze“, bei denen das Kammerorchester seine Qualitäten ganz sicher noch besser zeigen konnte als bei der populären, und als Finale bestens geeigneten „Simple Symphony“ von Benjamin Britten.
Nächste Woche, Samstag, 18.30 Uhr, ist der Klarinettist Dimitri Ashkenazy im klösterlichen Sommerrefektorium zu Gast, Sohn des großen Pianisten, begleitet von Ketevan Sepashvili am Flügel.
