Musik

SinfoNeA – Abschied für Rainer M. Schmid

In der Kusterdinger Festhalle dirigierte Andreas Medler das Abschiedskonzert der SinfoNeA für seinen Vorgänger

KUSTERDINGEN. Manchmal kommt es anders als geplant. Eigentlich hätte Rainer M. Schmid das Sinfonieorchester Neckar-Alb (SinfoNeA) zu seinem Abschiedskonzert an diesem Wochenende in Kusterdingen und Reutlingen persönlich dirigieren sollen, doch die Erkältungswelle ließ es nicht zu. Mit 78 Jahren ist er auch nicht mehr der Jüngste, obwohl er mit nimmermüdem Elan vor fast zehn Jahren noch die SinfoNeA auf deren ausdrücklichen Wunsch als musikalischer Leiter übernommen hat.

Deren Mitglieder kannten ihn großteils von der Jungen Sinfonie Reutlingen her: Sie waren ihr altersmäßig entwachsen, wollten aber weiterhin gemeinsam musizieren – am liebsten mit Rainer M. Schmid, der ab 1981 die Junge Sinfonie Reutlingen konsequent und erfolgreich bis 2021 geleitet hat. Große Worte sind nicht sein Ding, umso deutlicher spricht die Musik für ihn, die seine begeisterten Zöglinge hervorzaubern. Immer wieder kann man ihm und „seinen“ Orchestern bescheinigen, dass man bei ihnen bisweilen mehr hört als bei den Profis – Nebenstimmen und Details, die sonst oft glattgebügelt werden.

Die Bassgruppe der SinfoNeA. Fotos: Susanne Eckstein

Das Abschiedskonzert wurde zum Familienkonzert; die renovierte Kusterdinger Festhalle war voll besetzt mit dem über 70-köpfigen Orchester sowie – dicht davor – Eltern, Kindern, Großeltern, Verwandten und Freunden. Eigentlich durften sie erwarten, dass beim Abschiedskonzert ein paar Worte über den zu verabschiedenden Orchesterleiter gesagt werden; doch auch in diesem Fall sprach (abgesehen von einer Laudatio im Programmheft) erneut nur die Musik für ihn, die er einstudiert hat; die aktuelle Werkfolge hat Schmid selbst ausgewählt, beginnend mit Leonard Bernsteins Ouvertüre zu „Candide“.

Genau so saftig, schrill und lustvoll muss dieses Stück klingen, wie das nun zu hören ist. Die verbesserte Raumakustik trägt das Ihre dazu bei, dass man sich als Zuhörer wie mittendrin im vielfarbigen Orchesterklang fühlen kann. Dem neuen SinfoNeA-Dirigenten Andreas Medler, der aus den Reihen des Orchesters kommt, gelingt es mit präziser Gestik, Bernsteins schräge Ouvertüre und die Seinen beisammen zu halten.

Viel Beifall für die SinfoNeA, ihren Dirigenten Andreas Medler (rechts) und ihr Solistenquartett. Foto: Susanne Eckstein

Als seriösen Gegenpol kann man danach Joseph Haydns Sinfonie Nr. 105, die sogenannte „Concertante“, verstehen. Hier verbindet sich ein Solistenquartett aus Violine, Cello, Oboe und Fagott auf je unterschiedliche Weise mit dem Orchester zu heiterem Konzertieren, mal eher kammermusikalisch (im zweiten Satz), mal opernhaft (im dritten), Rezitative der Solovioline eingeschlossen. Die Harmonie des Ganzen wird leider etwas getrübt durch Intonationsschwächen der Solovioline; doch sowohl die vier mutigen Solist/innen aus den Reihen des Orchesters als auch dieses selbst gehen Haydns Partitur sorgsam und liebevoll auf den Grund.

Den zweiten Teil des Konzertabends nimmt Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 7 d-Moll ein. Sie entspricht mit ihrem kämpferischen Ernst und der intensiven motivischen Arbeit so gar nicht dem Klischee vom „böhmischen Musikantentum“: Eins der Themen zitiert ein Brahms-Lied, die andern sind teilweise aus alten tschechischen Chorälen abgeleitet. Diese gehören wesentlich zu der tschechischen Kultur, der Dvořák mit dieser Sinfonie offenbar ein Denkmal gesetzt hat.

Konzentriert und kraftvoll widmen sich Andreas Medler und das Orchester dem herausfordernden Werk und versetzen sich und die Zuhörer mitten hinein in die bei aller Klangfülle und Kantabilität oft herbe bis kantige Tonsprache. Es geht ihnen nicht um glatte Schönheit, sondern um die Auseinandersetzung mit der Partitur; Ergebnis ist ein direktes, ehrliches Musizieren abseits jeder Effekthascherei.

Der Kopfsatz führt hinein in Dvořáks ernste Welt; der langsame Satz erzählt von fernen Zeiten und verklingt in großer Ruhe. Das Scherzo fesselt das Ohr als düsterer, vielschichtiger Tanz mit scharfen Einwürfen; harte Paukenschläge und grelle Saitentöne evozieren Kampf und Krieg. Das Finale lässt dann doch Volksmusik anklingen, allerdings in verdunkelter Form, und eine düstere Kraft führt über schwierige Wege zum harten, knappen Zielton hin. Ein beeindruckendes Erlebnis für alle Beteiligten, langer Applaus für die Musizierenden.

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