Die Kammerchöre der Hochschulen von Tübingen und zu Köln gaben ein dreifaches Doppelkonzert
TÜBINGEN. Etwas Schöneres ist für studentische Sänger kaum vorstellbar: Ein Treffen mit einem Partnerchor und drei gemeinsame Konzerte an charismatischen Orten. In diesem Fall kamen am Samstagabend die Kammerchöre der Uni zu Köln und die Camerata vocalis im Tübinger Pfleghofsaal zusammen und umrahmten das Wochenende mit Auftritten in der Barockbasilika von Zwiefalten und dem Münster zu Straßburg.

Philipp Amelung, der Tübinger Universitätsmusikdirektor, führte das vielleicht 150-köpfige Publikum im Pfleghofsaal (mit seiner erstaunlichen Akustik) vorab ein wenig in den organisatorischen Rahmen ein, der solche wunderbaren Begegnungen möglich macht: ein Netzwerk von rund 20 deutschen Hochschul-Kammerchören, das sich gewiss auch international erweitern ließe. Das originelle Programm war ganz englisch frühmodern mit etwas Frommem und mit Hang zu folkloristischen Wurzeln geprägt. Zwei getrennte und ein gemeinsamer Abschnitt zeigten, was da auch dabei ist und dabei sein soll: freundschaftliche Konkurrenz, der Vergleich, sportlich-musischer Wettkampf sozusagen.
Die Tübinger Gastgeber durften mit dem dritten „Partsong“ von Gerald Finzi beginnen, einem 1901 in London geborenen Sohn jüdischer Eltern aus Italien und Deutschland, der so etwas wie ein inniger Neoromantiker mit besonderem Ton war – und Freund des Hauptkomponisten Ralph Vaughan Williams, der hierzulande etwas breiter bekannt ist. Wie Gustav Holst, trotz seines skandinavischen Namens ein englischer Spätromantiker reinsten Wassers. Von ihm war ein „Nunc dimittis“ zu hören, vom hochromatischen Opernkomponisten Arthur Sullivan sang die Camerata vocalis „The Long Day Closes“.

Ralph Vaughan Williams, zu dessen originellem Stil die Wurzeln im Volkstümlichen und in der Renaissance gehören, stellten die Kölner unter ihrem Dirigenten und Universitätsmusikdirektor Michael Ostrzyga mit „Five English Folk Songs“ vor. Weil auch ein bisschen Spaß sein muss, brachten sie das Traditional vom „Drunken Sailor“ in einem witzigen modernen Arrangement von Jonathan Willcocks nach dem schönen leisen Schluss dieses Querschnitts. Der gemeinsame Teil, abwechselnd dirigiert von den beiden UMD’s, galt wieder ganz Ralph Vaughan Williams.

Dabei führten sie ihre Qualitäten und Tugenden zusammen. Die Kölner machten Eindruck mit ihrer Kraft und dynamischen Bandbreite, mit starken Konturen. Auf Tübinger Seite waren vielleicht eine etwas feinere Stimmkultur und geschmeidige Phrasierungen hervorzuheben. Wie sehr es aber auf das Dirigat, seinen Geschmack und seine Schwerpunkte ankommt, zeigte der Gesamtchor: Je nach Leitung konnten Amelung und Ostrzyga die entsprechenden Potentiale heben und freisetzen.

Foto: Martin Bernklau
Viel Jubel begleitete die beiden Chöre nach Zugaben und Dirigenten-Umarmungen von der Bühne. Man darf sie alle um solch ein Wochenende beneiden.
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