Musik

WPR-Sinfoniekonzert – Kontur mit Kanten und Kontrasten

Alexander Liebreich musizierte mit den Württembergischen Philharmonikern und der Geigerin Veronika Eberle in der Reutlinger Stadthalle

REUTLINGEN. Man könnte ihn einen Strukturalisten nennen. Alexander Liebreich hat ein beeindruckendes weltweites Register an festen Orchestern, Gastdirigaten und solistischen Partnern. Seinen ganz eigenen, besonders kontraststark konturierten Stil wendete er am Montagabend mit den Württembergischen Philharmonikern auf drei ganz verschiedene Werke an. Violinsolistin war die großartige Veronika Eberle mit ihrer Stradivari „Ries“. Der Saal war zu drei Vierteln besetzt.

Die sogenannte Trauersinfonie e-Moll Nr. 44 ist eine der schönsten aus der mittleren Periode von Joseph Haydn – nicht zuletzt ihres hinreißenden Schwungs in den Ecksätzen wegen. Nach dem markanten Viertonthema und seiner Antwort führt er mit virtuoser alter, „gelehrter“ Kontrapunktik eine ungemein elegante Streicherfigur dagegen (und „eng“), die immer wieder von drängenden Achteln unterlegt an innerem Tempo gewinnt.

Viel Beifall für Alexander Liebreichs Haydn’sche „Trauersinfonie“ in kleinerer Besetzung. Fotos: Martin Bernklau

Alexander Liebreich setzte seine Schwerpunkte weniger auf solche Bewegung und eine geschmeidig süffige Melodik, sondern mehr auf die Kontraste in diesem dichten Satz. Und er führte diese starke Konturierung auch im noch polyphoner gearbeiteten Menuett, dem zweiten Satz weiter und in einem Adagio, das einen eher tastenden Rhythmus großen sanglichen Bögen entgegenhielt. Ganz rasch, aber auch wieder kantig, fast zackig nahm er das Finale. Seine sehr analytische, die Struktur hervorhebende Deutung vermittelte er dem aufmerksamen Orchester mit genauer, sehr bildhaft suggestiver Schlagtechnik.

Das „Concerto funèbre für Violine und Streichorchester“ zählt auch seiner Ausdruckskraft wegen zu den bekanntesten Werken von Karl Amadeus Hartmann (1905 bis 1963), einem der wenigen Künstler, denen man eine „innere Emigration“ während der Nazizeit abzunehmen geneigt ist. Geschrieben hat er diese politische Trauermusik angesichts des Hitler-Einmarsches in der „Rest-Tschechei“ und sie noch vor dem Kriegsausbruch 1939 vollendet.

Das ungemein geigerische, aber formal sehr streng angelegte Werk zeigt nach seiner Abkehr von reiner Zwölftönigkeit Hartmanns Hinwendung zu Vorbildern wie Reger oder Bartók. Auch eine Stradivari spielt sich bei allem tragenden Klang bis in zarteste Pianissimi hinein nicht von alleine. Nicht zuletzt mit ihrer eminenten Bogentechnik verfügt Veronika Eberle über eine seltene Bandbreite von mystisch zarter Elegie bis hin zu fast schon männlich zupackender Explosivität.

Selbstverständlich sitzen die Spielfinger selbst in extremen Hochlagen (auch bei den charakteristischen Flageoletts) in absoluter Präzision. Vibrato setzt sie gezielt und eher sparsam ein. Mit Dirigent und Orchester fand sie großes Einvernehmen beim Herausarbeiten der Kontraste und der Architektur des Konzertes. Das tief beeindruckte Publikum bejubelte sie lang und bekam als Zugabe eine ganz kurze und witzige Bearbeitung von „Happy Birthday“ mit Bach’schen Arpeggien und jazzigen Freitönen.

Violinsolistin Veronika Eberle: Viel Beifall aus vom Orchster und eine Umarmung vom Dirigenten. Fotos: Martin Bernklau

Die Sinfonie Nr. 3 a-Moll mit dem Beinamen „Die Schottische“ gilt nicht zu Unrecht als die „naturmalerischste“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Aber auch hier setzte Alexander Liebreich wieder weit mehr auf Struktur und Kontrast denn auf weiche Klangmalerei. Man darf Mendelssohn nicht verweichlichen, finden manche. Und sie fänden in diesem Dirigenten, dem es um Kontur und Struktur geht, einen starken Verbündeten. Manchmal wurde es nicht nur robust, sondern richtig laut, etwa bei den Blechbläsern. Viele schöne kleine und oft zarte Stellen hatten die Holzbläser, vor allem die Klarinetten. Das spannende und teils beschleunigt verdichtete Finale fand nach der Generalpause seinen triumphal siegreichen Abschluss.

Das Publikum applaudierte lang und begeistert dem letzten Werk eines Konzerts zu, das durch den klaren stilistischen Zugriff von Alexander Liebreich und seiner Solistin Veronika Eberle sehr zu überzeugen wusste.

(später mehr)

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