Das Duo aus der Cellistin Janina Ruh und ihrem Klavierbegleiter Boris Kusnezow eröffnete im klösterlichen Sommerrefektorium von Bebenhausen die Reihe der Sommerkonzerte
BEBENHAUSEN. Am Abend des ersten herrlich heißen Sommersonntags bot das Kloster Bebenhausen nicht nur sein unvergleichliches Ambiente zur Eröffnung der diesjährigen Konzertreihe, sondern auch etwas erfrischende Kühle sogar zur Freiluft-Pause im Kreuzgang. Das wohltemperierte Sommerrefektorium war praktisch ausverkauft, als die aus Rottweil stammende Cellistin Janina Ruh und ihr international renommierter Begleiter Boris Kusnezow am Bechstein-Flügel romantische Kammermusik von Schumann, Brahms und Vormodernes von Janacek und Prokoffjew musizierten.

Die drei im Jahr 1849 in hochgestimmter Beiläufigkeit komponierten Fantasiestücke opus 73 von Robert Schumann (1810 bis 1856) sind einerseits so beliebt, weil sie den ganzen großen Schumann im Kleinen konzentrieren, im schlichten Volkston und freier, inniger, reifer Emphase gehalten sind, sondern auch, weil sie das Soloinstrument, ursprünglich die Klarinette, für die Oboe, aber auch für eine Violine oder das Cello offenhalten.
Am Spiel der 1989 geborenen Janina Ruh – in ein umwerfend elegantes, leuchtend rotes Abendkleid gewandet – fielen dabei über den vorgegebenen zarten Ausdruck sogleich zwei Dinge auf: ihre ungemein genaue, klare, variable und dabei völlig unangestrengte Bogenführung und ihr über alle Lagen gerader, ebenso kantabler wie kraftvoller Ton, den sie übrigens einem Instrument von Vuillaume mit sehr tragendem Klang entlockte – der Franzose führte im frühen 19. Jahrhundert das große italienische Erbe der Italiener aus Cremona (und Parma) fort. Ihre ungemein geschmackvolle Phrasierungskunst schmückte sie mit einem ausgewählt sparsamen, schnellen, aber nie zitternden oder inbrünstig bebenden Vibrato.
Der 1985 in Moskau geborene Boris Kusnezow hat sich früh der Kammermusik und der Klavierbegleitung verschrieben, die er mittlerweile als Professor an der Mendelssohn-Hochschule in Leipzig lehrt. Er ließ seiner Partnerin zunächst viel freien eigenen Raum und nahm eher eine routiniert dienende Rolle ein. Intensiveres Konzertieren kam später dann doch deutlicher hervor. Das hatte auch ein wenig damit zu tun, dass der Flügel in den von Schumann hier bevorzugten Mittellagen für die Akustik des Sommerrefektoriums ein wenig weich, fast wattig wirkte, und Kusnezow kristalline Kontur im Anschlag, seine solistische Brillanz etwa in den Höhen noch nicht so gut zeigen konnte.
Der reife, späte Johannes Brahms (1833 bis 1897) hat seine zweite Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur opus 99 im ersten seiner drei heiteren Feriensommer am schweizerischen Thuner See im Jahr 1886 geschaffen, die so reichen kammermusikalischen Ertrag erbrachten. Die Cellistin wies ihr Publikum auch charmant darauf hin, den vier Sätzen auch Wasserfrische und Wellenspiel abzulauschen.
Bis auf den dritten Satz, trotz trioartigem Intermezzo ein Allegro in ruppig beethovenschem Scherzo-Stil, schwebt weithin Heiterkeit über dem Stück. Selbst das Finale – beim Plätschern belässt es Brahms natürlich nicht – beginnt in diesem heiteren Sommerton, gewinnt dann aber fast sinfonische Fülle, in der das Duo nicht nur virtuose Präzision, sondern seine ganze dialogische Intensität auch in fein abgestimmter Agogik einbrachte. Vielleicht sollte man bei den imponierenden technischen Fertigkeiten von Jana Ruh ihr Pizzicato nicht zu erwähnen vergessen, das völlig frei von irgendwelchen scheppernden Nebengeräuschen genau gestaltete Linien zeichnete. So sorgsam wird mit dem Zupfen bei den Streichern selten umgegangen.
Nach der Pause gab es ein (russisches) „Märchen“ des Tschechen, präziser: des mährischen Komponisten Leoš Janáček (1854 bis 1928) zu bestaunen, in dem laut Ansage das Klavier die Rolle der Prinzessin, das Cello den Part des Prinzen übernimmt. Janáček, durchaus auch mal ein Gestiker, ist immer wieder erfrischend in seinen rhythmisch-tänzerischen Einfällen und in seiner vom Volkstümlichen ausgehenden melodischen Kraft. In der Tat geboten die beiden Interpreten in ihrem feinen, präzisen und plastischen Wechselspiel auch gegengeschlechtliche Ausdrucksformen: das Cello kraftvoll männliche, Kusnezow am Bechstein sanft weibliche Tongebung.
Der Pianist durfte dann in der Sonate C-Dur opus 119 voll ausspielen, was bei Sergei Prokoffjew (1891 bis 1953) nie fehlt, pianistische Pracht und plastisch-bildhafte Phantasie. Eine gewisse entgrenzte Formlosigkeit muss man diesem musikalischen Maler nicht vorhalten, das Virtuose dem leidenschaftlichen Pianisten sowieso nicht. Sein Freund Mstislaw Rostropowitsch hat ihm da fürs Cello entsprechende Finessen gezeigt, die Prokoffjew seinem Widmungsträger dann auf den Leib geschrieben hat. Die 1949 entstandene Sonate mit ihrer mitreißenden Motorik hat zahllose Schönheiten und eine unerschöpfliche Klangvielfalt. Aber sie hat auch Längen. Das schmälert die musikalisch gestalterische, technisch beiderseits herausragende Leistung des Duos nicht, die mit ganz langem, jubelnden Applaus belohnt wurde.
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