Musik

Oratorium – Im Zeichen der Hoffnung

Erstaufführung von Veit Erdmanns „Oratorium zur Weihnachtsgeschichte“ in der Reutlinger St. Wolfgangskirche

REUTLINGEN. Der Reutlinger Komponist Veit Erdmann hat ein „Oratorium zur Weihnachtsgeschichte“ mit dem Titel „Mit Hoffnung leben“ geschrieben. Die Fassung für Solisten, Chor und Orgel kam unter der Leitung von Wolfhard Witte am Sonntagnachmittag zur Erstaufführung in der gut besuchten Sankt Wolfgangskirche.

Der Untertitel „Oratorium zur Weihnachtsgeschichte“ ist bewusst gewählt: Dieses Werk ist kein Weihnachtsoratorium wie etwa das von Bach, sondern eine Neuschöpfung, in der Erdmann eigene Schwerpunkte setzt. Schon beim Text handelt sich um eine Art Collage aus verschiedenen Quellen: dem katholischen Gesangbuch, den Evangelien, Rainer Maria Rilkes „Buch der Bilder“ und „Marien-Leben“, früher Dichtung und einem Zitat nach Papst Pius XII. (1939–1958).

Von der Orgelempore aus erklang Veit Erdmanns Oratorium unter der Leitung von Wolfhard Witte.
Foto: Susanne Eckstein

Die Texte sind in drei Teile gegliedert: Der erste erzählt die Vorgeschichte von Elisabeth und Zacharias, erweitert um ein Ave Maria, der zweite die traditionelle Geburtsszene mit Engeln und Hirten, im dritten geht es um die Weisen aus dem Morgenland und die Flucht nach Ägypten, ergänzt durch ein Gebet zum Heiligen Joseph. Ob sich heutige Protestanten damit anfreunden können, sei dahingestellt.

Musikalisch hat Veit Erdmann versucht, seine anspruchsvolle zeitgenössische Musiksprache mit den Möglichkeiten von Laienchören in Einklang zu bringen. Diese – die Chorgemeinschaft St. Wolfgang und die Kantorei der Kreuzkirche mit Hohbuchchor – haben zwar unbequeme Tonfolgen und dissonante Akkorde zu singen, werden aber nicht nur gestützt durch das sichere Dirigat von Wolfhard Witte, sondern auch durch den Orgelpart, den Erdmann gemeinsam mit Andreas Dorfner (Organist an St. Wolfgang) aus der ursprünglichen Orchesterpartitur erarbeitet hat.

Das Ergebnis ist ein abschnittsweise gleichgetaktetes, in starken Registerfarben brillierendes Orgel-Kontinuum, in das der vokale Part – Erzählungen, Arien, Chöre – wie eingebettet wirkt. Andreas Dorfner gestaltet es mit sicherer Hand und feinem Gespür für Tönung und Ausdruck, zart als Überleitung zum mystisch umflorten Magnificat der Maria, in markanten Motiven, expressiven Soli und mit Leuchtpunkten über dunklem Grund am Ende, die an das Sternenhimmel-Plakat erinnern.

Ein gleichbleibender Puls und regelmäßige Muster im Orgelpart tragen das Ganze und stiften Einheit. Dabei hält sich die Musik dynamisch und motivisch in vergleichsweise eng gezogenen Grenzen, manche würden sie wohl als herb bis asketisch umschreiben. Es geht hier weniger um konzertante Weihnachtsfreude als vielmehr um vokale, wortbezogene Andacht, begünstigt dadurch, dass die Mitwirkenden im Rücken des Publikums weitgehend verborgen auf der Empore stehen.

Ihre Leistung aber weckt Bewunderung, sie haben offenbar intensiv geprobt. Die Chöre singen makellos und sicher, auch die vier Solisten – Carmen Buchert, Filippa Möres-Busch, Thomas Jakobs und Florian Hartmann – meistern ihre zwischen Rezitativ und Arie changierenden Soli und die ungewohnten Tonverbindungen ohne Fehl und Tadel. Wolfhard Witte vereint die Beiträge aller Mitwirkenden zu einem stimmigen Ganzen, beschlossen durch den Aufruf zu Frieden und Hoffnung. Am Ende darf neben Witte und Dorfner Veit Erdmann oben an der Brüstung lang anhaltenden Applaus entgegennehmen.

Das Titelbild mit vollem Orgelprospekt.Foto: Susanne Eckstein

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