In der Tübinger Motette gibt die Stiftkirchen-Kantorei mit dem Partner-Ensemble aus Köln Gabriel Faurés „Requiem“
TÜBINGEN. Seit zehn Jahren sind sie Partner und feierten das am Samstagabend in der Motette gemeinsam: Ingo Bredenbachs Kantorei der Tübinger Stiftskirchen-Gemeinde und der von Mechthild Brand geleitete Coro con spirito aus Köln. Für die Aufführung von Gabriel Faurés „Requiem“ und kleineren Werken Faurés, Mendelssohns und von Ola Gjeilo gab der Kantor der Dame und dem Gast das Dirigentenpult auf der Orgelempore frei.
Die Höflichkeit hatte aber noch einen anderen Grund: Die Fassung der zarten Totenmesse Faurés mit Orgelbegleitung hatte Bredenbach selbst besorgt und war somit unabkömmlich an den Manualen. Ganz kann freilich auch die Königin der Instrumente bei aller subtilen Registrierung und Agogik den filigranen Orchesterklang – etwa die Harfe – nicht ersetzen, den Gustave Fauré (1845 bis 1924) dieser besonderen Form von Requiem beigab. Er wollte kein donnerndes Rachegewitter des „Dies irae“, sondern ersetzte das Strafgericht durch die zarte Frömmigkeit des „Pie Jesu“. Den Tod sah Fauré als sanften, von Engeln geleiteten Übergang ins Paradies, wofür er den gekürzten liturgischen Text um die berühmte Schlussnummer ergänzte.
Das 1888 in der Pariser Madeleine uraufgeführte Requiem wird gerne kombiniert mit dem thematisch passenden „Cantique de Jean Racine“, mit dem sich der junge Fauré, der später Direktor des Conservatoire werden sollte, einen Kompositionspreis gesichert hatte. Vieles von der Tonsprache des „Requiem“ deutet sich tatsächlich darin schon an.
Natürlich ist es schwer, zwei Chöre mit einer einzigen gemeinsamen Hauptprobe zu einem atmenden und aufblühenden Gesamtklang zusammenzuspannen. Das gelang aber schon mit dem „Cantique“ sehr respektabel. Allerdings zeigten sich auch hier schon Grenzen. Besonders deutlich in den höchsten Tönen aller Stimmen trübte sich die Reinheit hin und wieder ein, wobei das mit dem Einstieg der Orgel nach unbegleitete A-cappella-Passagen oder Unisono-Abschnitten besonders heikel war.
Das galt auch für die nachfolgenden Nummern „Siehe, der Hüter Israels“ und „Heilig, heilig“ aus Felix Mendelssohn Bartholdys „Elias“. Der fast völlige Verzicht auf ein Vibrato, das auch eine Art schützender und ausgleichender Watte um den Chorklang zu legen vermag, macht die Sache nicht leichter. Dem Vibratoverzicht und einer schlanken, eleganten Stimmführung unterwarfen sich auch die Vokalsolisten Charlotte Beckmann (Sopran) und Bariton Matthias Lutze. Bei den Profis machten gerade die glockenklaren Spitzentöne den Unterschied deutlich.
Bei allen Abstrichen brachten aber die beiden Chöre in allen sieben Teilen von Faurés Totenmesse wunderbare Momente von großer Intensität, eindrücklicher Dynamik und strahlendem Klang zustande, wobei tatsächlich das prägende „In paradisum“ gemeinsam mit der Solo-Sopranistin das höchste Maß an Charisma leuchten lassen konnte.
Eigentlich sollte das als Schluss stehenbleiben. Aber das versöhnliche „Ubi caritas“, weltweit beliebtes, auch weil zunächst vorwiegend traditionell tonales Chorstück des 1978 geborenen Norwegers Ola Gjeilo, passte in Kurzfassung nach Vaterunser, Gebet und Segen doch ganz gut. Das Motetten-Publikum in den recht ordentlich besetzten Bänken applaudierte nach langer Stille mit hohem Respekt.
Die Stiftskirchen-Kantorei reist am kommenden Wochenende zum Gegenbesuch mit einer zweiten gemeinsamen Aufführung in der romanischen St. Kunibert-Kirche nach Köln.