Bühne

Lindenhof – Schwäbische Feinkost

„Best of Spätzle! Zwei Schwaben im Element“ mit Bernhard Hurm und Berthold Biesinger hatte am Samstag in Melchingen Premiere.

MELCHINGEN. Für Comedy ist das viel zu poetisch, für Kabarett viel zu philosophisch und für Hochdeutsche natürlich viel zu schwäbisch – obwohl man auch das Oettinger’sche Honoratioren-Schwäbisch beherrscht oder gar den englischen Neusprech all der Wichtigtuer und hier und da Häppchen von Hochsprache einflicht. Mit dem Gründer-Duo Bernhard Hurm und Berthold Biesiger begrub der Melchinger Lindenhof am Samstagabend in seiner nicht ganz ausverkauften Scheuer das Sommerloch, zur dezenten Begleitmusik von Wolfram Karrer.

Dieser besondere Klang, diese Melodie des Schwäbischen: Hurm und Biesinger. Foto Simone Haug

Sie stehen auf den starken Schultern eines Sebastian Blau oder eines Thaddäus Troll, vielleicht auch eines Willy Reichert oder anderer Texter, und schauen auf „ihr Sach“ herab, ihre so grobe und derbe wie feine und zarte Sprache, auch auf die Lebensart der Schwaben samt allen ihren gewiss nicht nur frei erfundenen Schrullen und Klischees. Von „d’r Alb ra“ schauen sie mit stillem Stolz auch in die Ebene, auf die Niederungen der weiten Welt herab, auf den „halben Globus“, der sich um die unverrückbare Achse der Heimat dreht. Ein dritter Ahnherr saß im Publikum und freute sich still: Gründervater Uwe Zellmer, mit dem Hurm jahrzehntelang als Kult-Kabarett „Kenner trinken Württemberger“ über die Bühnen getingelt war.

„Do goht’s lang, Leit!“ Foto: Martin Bernklau

Schwaben international: Begrüßt wird mit allem, was die Welt so an Formeln zu bieten hat, von „Namasté!“ bis „Shalom!“ und „Bon soir!“. Aber Joseph und Robert ringen sogar darum, wer das reinere Schwäbisch spricht und lassen keine Zweifel, welches Wort hier gilt. Sogar der Stelzinger vom Bauamt habe jetzt einen „Bebber“ an seine Bürotür geklebt mit der Aufschrift: „I schwätz Schwäbisch! Ond du?“ Dabei hat der seinerzeit aus Sachsen rübergemacht.

Die Szene hat Gerd Plankenhorn so eingerichtet, dass das Duo abwechselnd von den Rändern her mit Biesingers Mini-Mandoline (oder Ukulele) und Hurms Glockenspiel-Pianino musiziert und singt oder zum wasserklaren Moschd aus Melchinger Klaräpfeln oder giftgrünem aus Granny Smith am zentralen Stammtisch hockt. Da wird dann erst mal nach den französischen Wurzeln des Schwäbischen gegraben, von Trottwar bis zur Bagaasch und den Fisimatenten. Aber der Besatzer Napoleon habe sich bis zu seinem Feldzug gen Russland keinesfalls schon ein astreines Schwäbisch aneignen können.

Beim Most: „Die, wo do hogga, hoggat emmer do“. Foto: Martin Bernklau

Übermütig abgedreht kommt eine Wortspielerei um die „Henna do henna“ und ihren „Gockeler do dussa“ daher, fast sentimental besingen sie die rauh verschneite Alb und die Wonnen des warmen Federbetts, das Schätzle im Arm, in einem „Winterlied“. Und der hohl eitle Heimatdichter Schäfer wird mit seiner „Ode an den Wald“ oder seiner absolut wortgetreuen Übertragung von Schillers „Glocke“ ohne viel Federlesens und ohne große Worte abgefertigt, ganz lakonisch, ja geradezu maulfaul treffsicher. Mit einem Appell an den Mut zum Faulenzen bei all dem Schaffen und Sparen, zum „au no lääba!“ zwecks dem letzten „Hemmad“, dem bekanntlich die Taschen fehlen, beschließt das Duo unter höchst spendablem Beifall die erste Hälfte.

Ein paar gebrochene Idyllen um Schleichwege, Feldkreuze und Herbstnachmittage zeigen nach der Pause den ganzen Reichtum, die Nuancen, Farben, Schattierungen und die Melodik des Dialekts. Dem Duckmäuser wird ein Denkmal gesetzt, und selbstverständlich geht es auch mal robust und gröber zur Sache. Nicht einmal bruddelnd oder scheltend, sondern manchmal auch in schierer schwäbischer Daseinsfreude: „an Granada-Schlag Spätzle mit on ohne Soß‘ uff oin Schlag – obacha!“ Den hochdeutschen Schimmelreiter lassen sie übers schwäbische Träubles-Gsälz galoppieren und nehmen im Stabreim-Staccato mit den Quitten vorlieb, über die er noch nicht geritten war, obwohl sie als jahrzehntealte Notration herhalten mussten.

Ähnlich die in harten Rhythmen herausgeschleuderte Satire um die privatisierte Feuerwehr („Deutsche Flame & Water“), bei der ein verzweifelter Besitzer des brennenden Heuschobers namens Salmendinger in irgendwelchen Hotline-Schleifen mit marktschreierischen Denglisch-Brocken traktiert wird. Aus den verbrannten Holzresten macht man als Merchandising, in Tüten verschweißt, Kohle und Asche für das Feuerwehr-Start-up. Als schwäbischer Gangsta Rap mit coolen Sonnenbrillen kam die finale Nummer daher, bei der das Publikum die Refrain-Antwort „Dahanna!“ skandieren durfte: „Wo sen die beschde Leut? Wo ischs oifach schee?“, hießen die Fragen. Souverän zurückhaltend auch hier, im Playback, die musikalische Gestaltung von Wolfram Karrer.

Die schwäbischen Gangsta-Rapper Hurm (re.) und Biesinger. Fotos: Martin Bernklau

Die Zugabe „Einfach sein!“ hatte vielleicht etwas zuviel Moral und etwas zuwenig Schwäbisches, war aber immer noch lustig und fand johlenden Beifall – wie alles an diesem tiefgründenden Schwaben-Abend. Das „Best of Spätzle“ gibt’s gleich noch einmal am heutigen Sonntag, 20 Uhr, in der Melchinger Lindenhof-Scheune.

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