In der Tübinger Kunsthalle eröffnete Direktorin Nicole Fritz am Freitagabend die Ausstellung der Brüder Gert & Uwe Tobias: „Das Blaue vom Himmel“
TÜBINGEN. Eigentlich ist ihre Domäne die Druckgrafik, genauer noch der aktualisierte Holzschnitt. Was die Zwillingsbrüder Gert & Uwe Tobias aber in die Tübinger Kunsthalle gebracht haben, ist – auch in der Vielfalt der Techniken – ein Gesamtkunstwerk in engstem Bezug zum Raum, zu den Räumen: verspielt, verblüffend, raumgreifend. Am Freitagabend eröffnete Kulturbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel gemeinsam mit Direktorin Nicole Fritz im überfüllten Hauptsaal die Ausstellung „Das Blaue vom Himmel“.
Die Brüder, Jahrgang 1973, kamen als Jugendliche mit Eltern (und Schwester) aus dem rumänisch-siebenbürgischen Brasov, ehedem Kronstadt, nach Deutschland. Die Volkskunst ihrer weiteren transsylvanischen Heimat blieb auch ein wichtiger Fundus, nachdem sie an der Kunsthochschule in Braunschweig ein Studium begonnen hatten. Als erstes und wichtigstes Genre entwickelten die Zwillinge – neben der Zeichnung – vor allem die Technik des Holzschnitts weiter, hatten bereits als Studenten Ausstellungserfolge und beschlossen im Jahr 1999, erst probeweise, dann immer regelmäßiger, gemeinsam zu arbeiten, ihre Kunst und ihre Werke zu entwickeln, gewissermaßen wie Jagger/Richards oder Lennon/McCartney ihre Songs.
Neben der Volkskunst lieferte auch die Kunstgeschichte quer durch ihre Sparten Anregungen und das Material für ihre Arbeiten. Der Blickfang im Saal, das großformatige „Holzschnitte auf Leinwand“ von 2023, eine Art Quintessenz ihrer individualisierten und erweiterten Drucktechniken, ist zwar ein rein zeichenhaftes, streng verspieltes, unfigürlich-abstraktes Werk, darf aber allein des Formats wegen beispielsweise an den Wandteppich von Bayeux erinnern.
Seine Überfülle kontrastiert mit der Reduktion der Bodenskulptur davor, einem flachen Quader, dessen aufgelegtes schwarzes Druckstockfragment ein einziges (andernorts oft wiederkehrendes) weißes Zeichen enthält, das ein wenig an Notenschlüssel erinnert. Kuratorin Nicole Fritz hat diesem Arrangement, sicherlich in enger Abstimmung mit den Brüdern, auf der Galerie eine lange Reihe von Druckstockskulpturen aus farbig lackiertem Pappelholz gegenübergestellt, die in ganzer Fülle die räumlich-skulpturale Fantasie der Tobias-Brüder ausdrücken.
Von dort aus ist ein eigens für die Ausstellung mit Wandzeichnungen versehener Saal zu erreichen, in dem nicht nur zwei Vitrinen mit Schreibmaschinen-Zeichnungen stehen, die für Gert & Uwe Tobias ebenfalls zu den charakteristischen Kunstformen gehören, sondern auch – übrigens wunderbar proportionierte – Zeichnungen die Wände füllen, die ein ganzes Panoptikum von Formen und Figuren wiedergeben und dem die Fantasie problemlos transsylvanische Sagen- oder gar draculahafte Horrorgestalten beifügen darf.
Solche surrealistischen Wesen stellen übrigen auf der oberen Ebene jene Keramiken dar, die wiederum Kontraste zu den Mischtechniken bilden, auch zu den Porträts und Stillleben, die der Ausstellung den Titel „Das Blaue vom Himmel“ gegeben haben. Aber auch dazu gibt es wieder eine überraschende Pointe: Unter den figürlich überbordenen Großformaten hängt ein einziges anderes, das eine radikale Reduktion darstellt, einen schwarzen Kreis auf weißem Grund. Natürlich bezieht es sich auch auf eine Ikone, das Schlüsselwerk des Suprematismus, Kasimir Malewitschs 1915 gemaltes „Schwarzes Quadrat“.
Wer wissen will, was Kunst kann, welche fantastischen Formen die Fantasie zu entwickeln imstande ist, der darf sich diese Ausstellung nicht entgegen lassen. Sie ist bis zum 11. Mai 2025 in der Tübinger Kunsthalle im Philosophenweg zu sehen.