Kunst

Konkrete Kunst – Ordnung und Offenheit

In den Reutlinger Wandel-Hallen eröffnet am heutigen Freitagabend die Werkschau von Christian Wulffen

REUTLINGEN. Kaum ein Künstler dürfte so eng mit dem Kunstmuseum Reutlingen|konkret verbunden sein wie der Deutsch-Amerikaner Christian Wulffen. Als das Sammler- und Stifterpaar Manfred Wandel und Gabriele Kübler seinen Werken in Stuttgart begegnete, kaufte es kurzerhand die ganze Ausstellung. Das wurde der Grundstock für die Sammlung, aus der Kurator Holger Kube Ventura jetzt die Ausstellung „Gegenstände zum gedanklichen Gebrauch“ bestücken konnte, die am heutigen Freitagabend um 19 Uhr in den Wandel-Hallen eröffnet wird.

Sie zeigt mit 30 Arbeiten aus den Jahren von 1971 bis 2016 einen Querschnitt durch Wulffens Gesamtwerk. Der 1954 in Bochum geborene Künstler studierte an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste, in Düsseldorf und Pennsylvania, bevor er an der seinerzeitigen Fachhochschule für Gestaltung in Metzingen lehrte. Im Jahr 2003 zog es ihn nach Amerika, wo er bis zu seiner Emeritierung für 20 Jahre Professor am Cleveland Institute of Art (Ohio) wurde. Inzwischen lebt Wulffen in der Hauptstadt Washington D.C.

Kurator Holger Kube Ventura (rechts) erläutert Jugendwerke von Christian Wulffen wie die Matisse-Studie in der Mitte. Fotos: Martin Bernklau

Eine gewisse Chronologie muss eine solche Werkschau haben. Deshalb sind auch Jugendwerke des damals 17-Jährigen zu sehen, in denen er sich beispielsweise mit beweglichen Lamellen oder, später, mit den Farben von Henri Matisse auseinandersetzt. Bald schon ist aber die Neigung Christian Wulffens zum Seriellen, zur Zahl in Linie, Fläche und Raum, zur durchbuchstabierten Variation unübersehbar. Die Farbe, in Wulffens Worten auch „der visuelle Reiz“, verliert völlig an Bedeutung. Neben dem Holz zählt zum Beispiel schwarzes schmales Klebeband zu seinen bevorzugten Materialien. Aber auch industrielle Aluminium- oder Pressspan-Platten.

Acht gleiche Holzelemente strukturieren den Raum in variabler Sortierung. Foto: Martin Bernklau

Da ist eine Arbeit von drei nebeneinander gehängten Holz-Rechtecken, die sich auf verblüffende Weise dem Raum öffnen, gewissermaßen als Gefäß, sein Deckel und als Rahmen. Oder die Serie von acht gleichartigen Holzfiguren, die sich – parallel gelegt oder gestellt, und zwar dem Ermessen des Kurators überlassen – die Wand, den Boden und damit alle drei Dimensionen des Raums erschließen.

Christian Wulffen und seine dreiteilige Holzarbeit „Reihe“. Foto: Martin Bernklau

In diesen Werken einer mittleren Periode – „So würde ich das inzwischen nicht mehr machen“ – nutzt er behandeltes, glattes, sozusagen „edles“ Holz, dessen akkurate Verschraubungen oder Verleimungen nicht zu sehen sind. „Wegnehmen und hinzugeben“ nennt es sein Prinzip dabei. In jüngeren Werken wie den „Fences“ (Zaun) von 2004 und 2021 sind es gleichartige Verschraubungen von billigem Baumarkt-Material, die wiederum in beliebiger Varianz frei an die Wand gelehnt sind.

„Fences“ oder „Zaun“ von 2004/ 2021 . Foto: Martin Bernklau

Das vielleicht für Wulffens Arbeitsweise bezeichnendste Werk ist die Serie „Hundert Blatt“, die Holger Kube Venture in mehreren Abteilungen ganz hoch, direkt unter die Decke gehängt hat. In drei Schritten hat Wulffen diese Arbeit aus den Neunzigerjahren realisiert. Da war zunächst ein Zeichenblock, auf dem er die vier auf fünf Elemente aus dem Gedächtnis aufs nächste Blatt zu übertragen suchte. So eine Art „stille Post“. Die Ergebnisse fasste er dann mithilfe eines Lineals in gerade Linien, die dann wiederum als Klebeband auf Zeichenfolie in ein größeres, das endgültige Format übertragen wurden (siehe das Titelfoto).

Solche Klebeband-Linien, mit transparentem Tesa-Material teils zu einem Grau verdeckt, sortiert er in einer anderen seriellen Arbeit nach bestimmten Zahlenverhältnissen. Es ist wiederum eine Verbindung von Ordnung und Offenheit, die der Betrachter nicht unbedingt in ihrer immanenten Logik exakt entschlüsseln können muss, die aber eine bestimmte Harmonie, das Gleichgewicht von Maß und Zahl ausstrahlt.

Info: Die Ausstellung „Christian Wulffen: Gegenstände zum gedanklichen Gebrauch“ ist bis zum 3. August 2025 im oberen Ausstellungsgeschoss der Reutlinger Wandel-Hallen, Eberhardstraße 14, zu sehen.

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