Das Trio Wiek trat beim Kammermusikzyklus im Kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle auf
REUTLINGEN. Es kann schon sein, dass sich Ensembles bisweilen nur um ein einziges Schlüsselstück herum bilden. Das Trio Wiek um den Pianisten Florian Wiek mit der Geigerin Anke Dill und dem Hornisten Christian Lampert – Stuttgarter Professoren-Connection von der HMDK – trat am Donnerstagabend beim Kammermusikzyklus im zu zwei Dritteln besetzten Kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle auf und spielte dieses Stück zum Schluss: Brahms, Es-Dur, opus 40.
Man fand auch Anderes, durchweg aus der Romantik. Robert Schumann (1810 bis 1856), oft in Schaffenszeiten für bestimmte Genres, Instrumente und Besetzungen schöpferisch, hatte in den Jahren seiner (und seiner Frau Clara) Begegnung mit dem jungen Johannes Brahms um 1850 sozusagen seine kammermusikalische Phase, eine Hinwendung zur kleinen Form begonnen. Die drei Romanzen opus 94, bevorzugt für die Oboe, statt derer aber auch ad libitum für Violine oder Klarinette ersonnen, widmete er seiner Frau als Weihnachtsgeschenk. Man darf die zarten Miniaturen auch als Romanzen für Horn und Klavier darbieten, wenn man über einen sanft geschmeidigen Bläserton verfügt.

Über den gebietet Christian Lampert tatsächlich. Allerdings passierte ihm, was auch erfahrenen Profis hin und wieder unterläuft: Er unterschätzte die vermeintlich leichten Einspielstücke. Vor allem die erste Romanze wirkte noch unfertig, schien den rechten Ton noch zu suchen, zerfaserte immer wieder. Das wurde dann in pianistisch konturierter, aber behutsamer Begleitung von Florian Wiek zusehends besser, aber selbst der Schlusston kränkelte noch einmal ein wenig.
Für die Besetzung Klavier, Violine, Horn – in dieser Reihenfolge an musikalischem Gewicht – hat der junge Elsässer Charles Koechlin (1868 bis 1950), spätberufener Klassengefährte von Maurice Ravel als Kompositionsschüler von Jules Massenet und Gabriel Fauré am Pariser Conservatoire, unter der Opuszahl 32 „Quatre petites pièces“ geschrieben, wunderhübsch meditativ sich entfaltende Miniaturen, die aller Entdeckung wert sind. Das war hochfein abgestimmtes Ensemblespiel in einem besonders aparten Klang.
Die viersätzige Violinsonate d-Moll opus 108, seine dritte, letzte und beliebteste, ist ein reifes, spätes Werk von Johannes Brahms (1832 bis 1897), in seiner Sommerzeit 1886 am Thuner See begonnen und später dem Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow gewidmet. Im Ton vor allem der Mittelsätze intermezzohaft, ist sie doch sehr dicht und vor allem pianistisch höchst anspruchsvoll gearbeitet. An den auch rhythmischen Schwierigkeiten des Finales sollen Brahms selbst und sein Freund Joseph Joachim einmal öffentlich gescheitert sein. Das taten Anke Dill und Florian Wiek keinesfalls. Es gab viel Applaus und sogar ein paar Bravorufe dafür.

Der Violinton von Anke Dill strahlt vor allem in den Höhen männlich kraftvoll und doch weich. Vibrato setzt sie sehr ausgesucht ein. Ihre Bogenführung ist vorbildhaft genau. Bei den wunderbaren Drei Romanzen opus 22, die Clara Schumann (1819 bis 1896) jenem Joseph Joachim widmete, gab sie sich ganz deren melodiöser Erfindungsgabe hin; wobei die Komponistin auch in diesen reiferen Jahren die Klaviervirtuosin, das pianistische Wunderkind Clara Wieck nicht ganz verleugnen will. Das war mit Florian Wiek am Flügel sehr schön abgestimmt.
Das Trio Es-Dur ist nicht nur das Referenzwerk schlechthin für die Besetzung Klavier, Violine und Horn, sondern vielleicht auch eines der charismatischsten Klangstücke der Hochromantik. Dass Brahms einen sommerlichen Morgenspaziergang im Lichtental bei Baden-Baden mit der Entstehung des Stücks verbunden hat, ist bekannt. Vielleicht sollte man auch wissen, das er das Hornspiel in seiner Hamburger Jugend erlernt und gern gepflegt hat, dass sein ergreifendes Adagio mesto auch als Totenklage für seine Mutter gelten könnte, und dass Brahms dringend den Klang eines ventillosen Naturwaldhorns empfahl.
Dem Rat kam Christian Lampert zwar nicht nach, glich das aber durch seinen feinen, weichen, geschmeidigen und in den Jagdhornfanfaren immer noch dezenten Klang und das wunderbare Einvernehmen mit Violonistin Anke Dill und Florian Wiek aus, dem ebenso souveränen wie markant virtuosen und einfühlsamen Mann am Klavier, der in Fugati oder dem finalen Jagdstück auch mal geschmackvolle Straffungen vorgab.

Der freundliche Beifall hätte angesichts dieser klangstarken und geschlossenen Ensemble-Leistung durchaus ein bisschen frenetischer ausfallen dürfen, brachte dem Publikum aber eine Schumann-Zugabe ein.
