Musik

Uni-Festsaal: Eine eigenwillige Mozart-Gala

Die Nationale Kammerphilharmonie aus Prag und die georgische Pianistin Elisso Bolkvadse mit einer Mozart-Gala im Tübinger Festsaal

TÜBINGEN. Was für eine Frau! Zu einem besonderen, durchaus eigenartigen Konzert wurde am Dienstagabend die Mozart-Gala der Nationalen Kammerphilharmonie Prag im Festsaal der Tübinger Universität der markanten georgischen Klaviersolistin Elisso Bolkvadse wegen. Die Reihen waren noch ganz gut, aber nicht ganz voll besetzt.

Düster, geheimnisvoll und standesgemäß – die Oper hatte 1787 in Prag Premiere, und der angereiste Wolfgang Amadé Mozart liebte und schätzte die Musikszene der böhmischen Metropole an der Moldau – begann der Abend mit der Ouvertüre zu „Don Giovanni“. Sie wird auf immer mit der Szene aus „Amadeus“ verbunden bleiben, dem Film des tschechischen Regisseurs Milos Forman, wo der „Steinerne Gast“ wie das streng strafende Jüngste Gericht für den erotomanen Wüstling als Wechselgestalt zu Mozarts übermächtigem Vater Leopold erscheint.

Die im Jahr 2018 gegründete Kammerphilharmonie hat sich als eine Art Projektorchester der heutigen Prager Musikszene schnell über die tschechischen Grenzen hinaus einen vorzüglichen Ruf erarbeitet. Der auch international ausgezeichnete Pole Piotr Sulkowski dirigierte sie, Generalmusikdirektor im masurischen Olsztyn (Allenstein) und an der Oper Krakau, wo er auch an der Musikakademie lehrt.

Der „Don Giovanni“ ist ja eigentlich ein „Dramma giocoso“, also eine Komödie. Gerade die Ouvertüre hat immer besonders als Mozarts Meisterwerk einer musikalischen Zeichnung dieses widersprüchlichen Charakters zwischen Champagner und Höllenfahrt fasziniert. Wie die geheimnisvoll schillernde Atmosphäre dieser Gegensätze zum Klingen kommen kann, muss letztlich Geheimnis bleiben. Aber die Prager und ihr Dirigent Piotr Sulkowski kamen mit sorgsamer Präzision nahe heran. Den Streichern (in Kammerbesetzung), allen voran den geschmeidig straffen Primgeigen, standen manchmal eine Spur zu wuchtig klangstarke Bläser gegenüber, selbst im Holz.

In Mozarts prächtigem Klavierkonzert C-Dur, Köchelverzeichnis 467, oft mit dem irreführenden Filmnamen „Elvira Madigan“ bezeichnet, setzte sich das in gewisser Weise fort. Dem Maestoso des Kopfsatzes entsprach der fast schon gebieterisch männliche Gestus der georgischen Solistin Elisso Bolkvadse, der freilich mit einer elegischen Sanfmut und singenden Zartheit korrespondierte, wie sie dann im Andante in den Vordergrund traten.

Die phänomenale eigenwillige Klaviersolistin Elisso Bolkvadse aus Georgien. Fotos: Martin Bernklau

Elisso Bolkvadse, in ihrer Heimat auch politisch und karitativ-kulturfördernd zugange, kann viele internationale Auftritte und Auszeichnungen vorweisen. Dass die von Kindesbeinen an erfolgreiche Musikerin sich nie weltweit an der Spitze des Ruhms fand, mag an ihrem auch musikalisch eigenwillig kantigen Charakter liegen. Ihre technischen Fertigkeiten und die Tiefe ihres Musikverständnisses sind phänomenal.

Bei aller gestischen Expressivität (eine freie linke Hand dirigiert manchmal, der Blick geht oft in ferne Höhen) dient etwa ihre glanzvolle Geläufigkeit und Anschlagskultur ganz der musikalischen Struktur. Glitzernde Läufe der Rechten werden nicht ausgestellt und in den Vordergrund geschoben, wenn Figuren der Linken für die Struktur wichtiger sind. Vielleicht am klarsten zeigte sich das in der grandios vielstimmigen ersten Kadenz.

Elisso Bolkvadze. Foto: mab

Nicht immer klappte das Verständnis mit dem Orchester makellos. Den forschen Zugriff, die unterschwellig brodelnde Energie, ihr vorwärts drängendes inneres Tempo, kaum je einmal treibend im metronomischen Sinn eines Accelerando, gingen vor allem die Bläser manchmal nicht mit. Dabei nahm sich Elisso Bolkvadse durchaus auch zurück und ließ dem Orchester allen Platz, wo das vom musikalischen Sinn her geboten war. Umgekehrt aber durfte sie die zartesten Töne und sanften Melodiebögen bis in himmlisch schwebendes Pianissimo ausspielen, ohne eingehüllt und zugedeckt zu werden.

Das Publikum nahm ihre Persönlichkeit und ihre musikalische Werkdeutung eher distanziert auf. (Das gibt es, dass die Zuhörer und ein hingerissener Kritiker ganz unterschiedliche Meinungen haben.) Der Applaus war zwar stark, aber er reichte nicht, diese stolze und eigenwillige Musikerin zu einer Zugabe zu bewegen.

Die „Jupiter-Sinfonie“, Mozarts sinfonisches Gipfelwerk KV 551, auch im majestätischen C-Dur, gelang den Prager Philharmonikern trotz vergleichsweise kleiner Kammerbesetzung in voller Kraft und Größe. Gerade in den Kontrasten fein ausgearbeitet und trotzdem mit dem unvergleichlichen Schwung vor allem des Finalsatzes und seiner kontrapunktisch enggeführten Verdichtungen. Die Eleganz und den Drive der Streicher erreichten trotz schöner Einzelpassagen von Flöte und Oboe die Bläser nicht immer. Manchmal hätte man sich mehr zurückhaltende Sensibilität und Delikatesse wünschen können.

Diese im besten Sinne konventionelle und von böhmischem Temperament geprägte Interpretation kam sehr gut an. Das Publikum feierte sie begeistert mit so langem Applaus, dass es zum Dank ein charmant-kraftvolles Divertimento D-Dur Nr. 11 für Oboe und zwei Hörnern bekam.

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