Julia Galić und das Trio Parnassus beim Tübinger Komponistinnen-Festival
TÜBINGEN. Das Trio Parnassus hat immer schon entlegene, zu Unrecht vergessene, vernachlässigte Musik gesucht, fürs Repertoire entdeckt und gepflegt. So war es nur noch ein kleiner Schritt, sich am Mittwochabend beim Konzert zum Tübinger Komponistinnen-Festival ausschließlich mit Werken von Frauen zu beschäftigen. Der Silchersaal im Museum war ausverkauft.
Zu ihrer Zeit war Luise Adolpha Le Beau, 1850 in Baden-Baden geboren und dort sorgsam (unter anderen von Clara Schumann) ausgebildet, sehr erfolgreich, ja zumindest in Deutschland als Pianistin, Komponistin und Lehrerin durchaus berühmt. Mit vielen Großen der Zunft, von Liszt über Rheinberger bis Brahms stand sie in engem Kontakt und wurde hoch geschätzt. Ihr Klaviertrio d-Moll opus 15 ist ein Stück purer Romantik.
Als über mehr als vier Jahrzehnte verbliebener Gründervater des Trio Parnassus hat sich der wieder genesene Michael Groß noch nie in den Vordergrund gespielt, sondern mit abgestimmter Präzision ein verlässliches Fundament gegeben und seinem Testore-Cello sonore Melodik, aber auch springlebendige Rhythmen entlockt. Mit einer schwelgenden Kantilene, wie zu Beginn des zweiten Satzes, sah und hörte man ihn ausschließlich nach Vorgabe des Notentextes ganz im Vordergrund.
Mit Julia Galić, die ihrer Heimatstadt Tübingen trotz internationaler Engagements und Münchener Violin-Professur immer eng verbunden geblieben ist, hat das Trio eine Geigerin, die mit ihrem offenen, weiten, aber auch intensiv warmen Ton durchaus gerne führt, sich aber auch vollkommen in ein eng verschlungenes Geflecht gleichrangiger Stimmen einfügt.
Das gilt auch für den Pianisten Johann Blanchard, der das seit 2016 in dieser Formation musizierende Trio harmonisch vervollständigt. Er kann in hervorgehobenen Passagen auch funkelndes Jeu perlé geben, bevorzugt aber meist eine dienende Rolle mit ausgewogener Klangbalance und eher weichem Anschlag. Vorwärtsdrängende, bestimmende Kraft wie die seines Vorvorgängers Chia Chou ist ihm eher fremd.
Ethel Smyth, 1858 in der englischen Grafschaft Kent geboren, war eine ähnlich hochtalentierte und gut ausgebildete Musikerin wie Luise Le Beau. Aber sie kämpfte auch hartnäckig darum, ihre Kunst frei ausüben zu dürfen, und setzte gegen den Willen ihrer Familie ihr Musikstudium in Leipzig durch. Auch literarisch sehr begabt, Freundin von Virginia Woolf, und politisch ambitioniert, galt sie bei ihrem Tod im Jahr 1944 als wichtiger Teil der Emanzipationsbewegung der britischen Sufragetten, wurde als Komponistin, nicht zuletzt großer Opern, aber bald vergessen. Ihr 1880 entstandenes Trio d-Moll mochte noch eher konventionell romantisch anmuten, ließ in der dichten Parnassus-Interpretation aber etwa in den kühnen Rhythmuswechseln des Kopfsatzes keine Zweifel an der versierten Satzkunst von Ethel Smyth und ihrer melodischen Erfindungskraft aufkommen.
Clara Schumann hatte es von diesen drei Komponistinnen vielleicht am wenigsten schwer, einen dauerhaft unumstrittenen Platz im musikalischen Parnass zu bekommen und zu halten – was nicht nur an ihrer Genialität als Pianistin und Komponistin liegt, sondern an Dingen, die mit der musikalischen Substanz weniger zu tun haben: Witwe Robert Schumanns, Muse und Angebetete von Johannes Brahms, das galt – man muss das leider so sehen – für den Ruhm der Mit- und Nachwelt für wichtiger.
Auch ihr Klaviertrio g-Moll opus 17 kann zwar noch den früheren Werken zugerechnet werden, zeigt aber gleichzeitig die Beherrschung der Formen, etwa im Fugato des Finales, und Vorausweisendes wie in den assymetrischen Tanzrhythmen des zweiten Satzes.
Wunderbar, wie das Trio Parnassus diese feinen Strukturen abbildete und sich, angeführt vom großen, weit gespannten Ton der Geigerin, in eleganter und betörender Melodik überbot. Der Jubel der Zuhörer brachte mit der Zugabe von Mel Bonis‘ „Le Soir“ einen Ausblick in spätere, impressionistische Stilepochen.
