Bühne

Comedy – Thun für die Tonne

Der Tübinger Komiker bringt seine Sprachakrobatik mit einem übermütigen Schauspieler-Quartett in den Reutlinger Tonnekeller

REUTLINGEN. Was Otto für Ostfriesland, ist Thun für Tübingen. Helge hier, Waalkes dort. Wo er aber wohnt, in Reutlingen, da brachte der Comedian, Zauberkünstler und Moderator jetzt „Thuns Komische Werke“ mit einem hinreißenden Quartett auf die Bühne als „Texte für die Tonne von Helge Thun“. Er führte im Hintergrund Regie. Der traditionsreiche Tonnekeller war auch am Sonntag, drei Tage nach der Premiere, ausverkauft.

Das hinreißende Comedy Quartett Chrysi Taoussanis, Davis Liske, Rupert Hausner und Magdalena Flade (von links).
Foto: Martin Bernklau

Sie blödeln ja beide. Aber während Otto eher das Kind im Menschen multimedial anspricht, reitet Helge Thun mit seiner Verbalakrobatik eher (wie „Ritter Ivanhoe“, eine der besten unter lauter tollen Nummern) gnadenlose Attacken auf das Sprachzentrum. Sein Stil wird hin und wieder mit Loriot verglichen oder dem absurden Wortwitz eines Robert Gernhardt und der feinziselierten Sprachanarchie der ganzen Neuen Frankfurter Schule zugerechnet, ist aber wahrhaftig etwas ganz Eigenes.

Thuns komisches Waffenarsenal seiner Sketche, Szenen und Monologe reicht von der Nadelspitze über die ritterliche Lanze bis zur Kanone großen Kalibers. Für die zum Brüllen komische Reutlinger Tonne-Mischung hat er seine Schreibtischschublade (heutzutage Festplatte) geplündert und aus Nummern der vergangenen zwei Jahrzehnte eine Art „Best of“ gebastelt, das er aber thematisch zeitkritisch und spartenmäßig gewichtet hat.

Denn es gibt da vielerlei Figuren in dieser hohen Kunst der Sprachspielerei, die sich komödiantisch als Satire, Parodie oder Persiflage verstehen lassen. Alle haben sie sogar wissenschaftliche Bezeichnungen, Fachbegriffe, die das Programmheft sehr aufschlussreich ordnet. Die Homophonie „Meine Couch ist sofalockend“ etwa, die mehrdeutige Polysemie („Was macht der Clown im Büro? Faxen“) als klassischer Wortwitz, Schüttelreime, Zungenbrecher, Buchstabendreher, überraschende Worttrennungen, Abwandlungen fester Redewendungen, Kaskaden von gleichen Reimen und gleichen Konsonanten und vieles, vieles mehr.

Das Kunstvolle darf nie gekünstelt oder ächzend bemüht klingen, sondern muss wie ein vom Himmel gefallenes Musengeschenk wirken. Und das beherrscht Helge Thun wirklich wie kein Zweiter. Nach der wunderbar improvisierenden Klaviereinleitung von David Liske ließ er mit lauter „Sch…“-Worten eine ganze Geschichte rund ums Geld erzählen, die mit Schulden böse endet, aber das Publikum schon mal vom Glucksen zum lauthalsen Lachen lockert. Das Quartett spielte sich warm und allmählich in einen disziplinierten Rausch. Eine dankbare Abwechslung für Schauspieler, diese übermütige Comedy.

Die alten Kiffer, Havanna und Ché. Foto: Martin Bernklau

Die beiden Frauen Chrysi Taoussanis und Magdalena Flade wollen im Kampf gegen frauenfeindlichen Humor Mario Barth umoperieren und Dieter Nuhrs Geschlecht umdefinieren, einigen sich schließlich aber auf die altbewährte Demo. Ganz große Klasse sind auch Rupert Hausner und David Liske als Alt-68er mit Rolli und Gehstock, die gnadenlos wortverdreht über Ché, Havanna und die Weltrevolution philosophieren. Hausners Verhöre als Kriminaler sind genauso lustig wie die Schwaben-Nummer um Koi- und Karpfen-Käufer mit Liske oder die Begräbnis-Rede im Trio.

Die Phrasendrescherei von Talkshows wird – immer hart am Wind des politisch Unkorrekten – unbarmherzig paraphrasiert, aber auch der Wellness-Wahn oder die hohle Kulturhuberei des penetrant gendernden Deutschlandfunks um Chopins Trauermarsch. Trauer oder Marsch, das ist hier die Frage. Radioredakteurin Magdalena Flachwitz befragt David Liske als russischen Tastenstar nach den großen Interpreten Rachmaninoff, Horowitz und Rubinstein, die seine eigene Deutung locker in die Tasche steckt. Hinten klimpern Chrysi Taoussanis und Rupert Hausner die immergleiche einfache Tonfolge. Köstlich.

Man kann das hier schlecht referieren. Man muss das gesehen, gehört und erlebt haben. Das Publikum war hingerissen, gluckste und prustete im Wechsel, auch wenn diese auf Spitzen getriebene Sprachspielerei zuweilen doch höchste Aufmerksamkeit erforderte und in ihrem atemlosen Tempo durchaus auch mal anstrengend wurde. Die beiden Zugaben nach jubendem Applaus waren auch vom Feinsten: eine mindestens sechsteilige Schlager-Parodie rund ums Thema Reisen mit der Deutschen Bahn und eine weitere „Oifach älles“, die in einer übermütigen Oregano-Olé- Polonaise endete.

Titelfoto: Beate Armbruster/Tonne

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