Musik

Cembaless – Altes ganz frisch

Das Ensemble Cembaless spielte im Tübinger Uni-Festsaal ganz alte Musik auf exotischen Instrumenten

TÜBINGEN. Cembaless – ohne Cembalo. Ein ganz junges Ensemble von sechsöpfen trat am Montagabend mit ganz alter Musik im Festsaal der Tübinger Universität auf. In den Reihen verteilten sich vielleicht 400 Zuhörer. Ganz beachtlich für solch exotisch anmutende Kunst aus einer Zeit der Wende.

Allein die Instrumente waren so sehenswert wie hörenswert. Rechts außen musizierten Moderator David Hanke und Annabell Opelt mit ihren Blockflöten vom C-Instrument bis hinab zur Tenorlage. Dann schloss sich der Holländer Robbert Vermeulen an mit seiner Theorbe, dieser geradezu giraffenhaft langhalsigen und vielsaitigen Generalbass-Laute mit ihrem doppelten Griffbrett.

DFas Cembaless-Ensemble. Fotos: Martin Bernklau

Mit ihren sieben Saiten ist die Viola da Gamba, die von Anna Lachegyi (auch mal als kleine Diskant-Variante) mit flachem Rundbogen gespielte Kniegeige, reicher bestückt als das vergleichbare Cello. Stefan Koim war auf einer Barockgitarre zugange und auf einer Laute, die aussah wie die kleinere Schwester der Theorbe. Und dann kam noch der Percussionist Syavash Rastani, der vier Schlagzeuge mitgebracht hatte und auf der Daf, einer mit Schellenkranz versehenen großen, runden Rahmentrommel arabischen Ursprungs auch eine Soloimprovisation unter Einsatz aller zehn einzelnen Finger gab. Eine quadratische Variante sowie ein kelch- und ein flaschenförmiges Instrument kamen hinzu.

Die Werke wurzelten in jener Zeit des 16. Jahrhunderts, wo sich in der Renaissance neben der kirchlichen mehrstimmigen Vokalmusik das Instrumentale als eigene Gattung entwickelte und zunächst über sogenannte Tabulaturen auch erstmals notiert, also festgehalten wurde. Zunächst waren es wohl wiederkehrende Bassfiguren (als Vorläufer des Generalbasses), wie Chaconnes oder Passacaglien, über denen frei und immer virtuoser improvisiert wurde.

Parallel zu dieser vor allem von Spanien und Italien ausgehenden höfischen Kunst entwickelte sich, zunächst in Venedig, auch die Oper, mit der ziemlich genau um 1600 durch Claudio Monteverdi auch der Epochenbruch von der Renaissance-Mehrstimmigkeit zum monodischen, homophonen, affektreichen Ausdrucksgesang des Barock vonstatten ging, dem nicht mehr verschlungene melodische Linien und kanonische Imitation, sondern ein akkordisches Gerüst zugrunde lag.

Mit solch einer anonymen Cancionero aus einer spanischen Sammlung begann Cembaless seine Werkfolge, die stilistisch in Bearbeitungen von Opernnummern gipfelte, wie sie als erstem Höhepunkt der Gattung Georg Friedrich Händel im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts lieferte. Dem leisen Klatschen, Stampfen, dann Trommeln in scharfen ganz motorisch repetierenden Rhythmen gesellten sich allmählich immer mehr Instrumente zu: Gitarre, Theorbe, Flöten und schließlich die Gambe mit einer sehr flotten, virtuosen Art von Kadenz.

Der auch als Theoretiker hervorgetretene Santiago de Murcia (1673 bis 1739) steuerte einen Fandango im wiegenden Dreivierteltakt bei, der sich später von einer Flamenco-Art auch zu einem portugiesischen Nationaltanz entwickeln sollte. Von dem Italiener Andrea Falconieri (um 1585 bis 1656) stammte eine mit absteigender Bassfigur schreitende Passacaglia, gleichfalls im Dreiertakt, die eher melancholischen Moll-Einschlag hatte.

Dann stellten die Cembaless-Musiker eine Art Opernfolge mit wechselnden Melodie-Instrumenten zusammen, die um Händels Maßstäbe setzende Oper „Il Floridante“, 1721 in London uraufgeführt, – ganz zeitüblich, ganz improvisatorisch, ganz frei, ganz virtuos – auch mit Einlagen von Corelli, Telemann oder dem Bass-Prélude eines Sieur de Sainte Colombre (1640 bis 1700) spielte.

Laute (Stefan Koim) und Gambe (Anna Lachegyi), neben dem Cembalo die Leitinstrumente des Frühbarock. Foto: Martin Bernklau

Da war eine ungeheure Frische, ein tänzerischer Schwung im Klang, aber auch sanft ausdrucksstarke Melodik und eine suggestive Motorik, meist vom Percussionisten angeführt, die geradezu in eine Art Trance einzuladen schien. Der Moderator lud die Zuhörer zur zweiten Hälfte (mit weiteren, eher unbekannten Komponistennamen wie Girolamo Kapsberger, Diego Ortiz, Francesco Cavalli, Alessandro Piccinini oder Tarquino Merula) ein, die freien Plätze nah der Bühne einzunehmen. Das war sinnvoll, weil diese alten Instrumente – bis auf die Flöten – ob gestrichen oder gezupft, doch nur eine zarteren, zerbrechlicheren Klang freigeben, dem die etwas lockerere Besetzung des Saal akustisch freilich schon zuvor entgegengekommen war. So ließ sich aus der Nähe auch die wunderbare Spieltechnik besser beobachten.

Und nicht nur für das präzise Einvernehmen, diese musikantische Geschlossenheit bei allen improvisatorischen Freiheiten wurde das Cembaless-Ensemble mit ganz viel Beifall bedacht. Das Publikum war sehr warm geworden mit dieser doch inzwischen weit entfernten, heutigen Ohren zunächst fremd anmutenden Art des Musizierens – und ließ sich verzaubern.

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