Die Capella Vocalis begeht mit den Stuttgarter Hymnuschorknaben und der Württembergischen Philharmonie in der Reutlinger Stadthalle ihren 30. Geburtstag
REUTLINGEN. Es ist einer der überwältigendsten Momente der Musikgeschichte, wenn bald nach Beginn von Joseph Haydns „Schöpfung“ aus dem Chaos heraus zum Donner der Pauken und im strahlendsten C-Dur-Fortissimo des Orchesters der Chorruf herausbricht „Und es ward Licht!“
Die Reutlinger Capella Vocalis wurde am Sonntagnachmittag in der Stadthalle zum Jubiläum ihres 30-jährigen Bestehens reich beschenkt und machte sich mit dem 1792 uraufgeführten Oratorium selbst ein Geschenk. Der Partnerchor der Stuttgarter Hymnuschorknaben hatte mit seinem Leiter Rainer Johannes Homburg das Stück mit einstudiert und gab mit seinen Männern „The Creation“ voran, ein kurzes Stück des amerikanischen Neo-Romantikers Willy Richter.
Kulturamtsleiterin Anke Böchtiger hielt die Festrede („Was für eine Freude!“) und überreichte einen Scheck von Oberbürgermeister Thomas Keck. Hermann Dukek, seit gut einem Jahr dritter Leiter des Knabenchors – auch Gründer Eckhard Weyand saß mit seiner Frau im Publikum – durfte eine ganz ausgezeichnet vorbereitete Württembergische Philharmonie als Begleitung sowie drei herausragende Gesangssolisten vor einem gewiss gut hundert Stimmen starken Chor begrüßen, bei dem die Männer in schwarzen Anzügen auftraten, die Hymnus Chorknaben in ihren schwarzen Roben mit weißem Kragen und die Jubilare in ihren weinroten Westen – ein schönes Bild. Einzig der Besuch hätte vielleicht noch ein bisschen besser ausfallen dürfen.
Die Solisten treten ja mit Rezitativen und Arien als die drei erzählenden Erzengel auf, im dritten Teil zwei von ihnen auch als Adam und Eva. Christine Reber begann ihren Part in einer gedeckten Mezzofärbung, konnte dann im Verlauf aber auch ganz viele strahlend kraftvolle Glanzlichter und Koloraturen setzen. Tenor Daniel Schreiber gefiel mit seiner sanften Eleganz, wusste sich aber auch immer wieder zu opernhafter Dramatik aufzutürmen, ohne je gepresst zu wirken. Über die Melodik eines sanften Erzähltons verfügte am eindrücklichsten vielleicht Johannes Held mit seinem obertonreich timbrierten Bariton, den er auch zu ergreifenden Momenten von innigster Naturbeschreibung zu verdichten wusste.
Das Bildhafte, Plastische, mit herrlich ausgearbeiteten Kontrasten und Übergängen zeichnete die ganze Interpretation von Hermann Dukek aus, im präzisen und aufmerksamen Orchester, das bis hin zu Pauken und Bläsern (und einem ganz ausgezeichneten Continuo-Cembalo) jede Menge hervorragende Einzelszenen hatte – wie im bestens vorbereiteten Chor. Durch seine schiere Größe freilich wie durch die sinfonische Fülle des Satzes kam vielleicht nicht ganz so oft, nicht gar so stark hervor, was den Klang eines Knabenchors ja faszinierend macht: dieser helle, lichte, gläsern bis metallisch klare Stimmzauber.
Schon zum Ende des zweiten Teils umjubelte das Publikum alle Akteure und entließ sie mit verdienten Ovationen für eine Aufführung ohne die kleinsten Schwachpunkte, dafür mit zahllosen Glanzlichtern in die Pause.