Das Duo aus Klarinettist Dmitri Ashkenazy und Ketevan Sepashvili am Flügel musiziert beim Sommerkonzert im Kloster Bebenhausen
BEBENHAUSEN. Ein stimmungsvolleres Foyer als den Kreuzgang des Klosters Bebenhausen kann man sich kaum vorstellen. Das Publikum genießt bei den samstäglichen Sommerkonzerten im Kloster das idyllische Ambiente und gelungene musikalische Darbietungen gleichermaßen.
Nach dem Tübinger Kammerorchester, das vergangenes Wochenende den Auftakt zur Konzertreihe von Kulturreferat und Museumsgesellschaft im Kloster gab, trat nun am Samstagabend ein Kammermusik-Duo aufs Podium des Sommerrefektoriums: der Klarinettist Dimitri Ashkenazy und die Pianistin Ketevan Sepashvili. Er ist heute Mitte 50 und – das darf man ruhig sagen – ein Sohn des berühmten Pianisten Vladimir Ashkenazy, hat in der Schweiz studiert, in aller Welt konzertiert und sich ein eigenes Renommee als Solist an der Klarinette erarbeitet. Ketevan Sepashvili stammt aus Georgien, hat in Tiflis und der Schweiz studiert, tritt solistisch wie als Begleiterin auf und lebt in Wien.
Ein großes Publikum ist gespannt auf den Auftritt der beiden Künstler, der Saal ist voll besetzt. Das deutsch-französische Programm stellt eindeutig die Klarinette in den Vordergrund, und Dimitri Ashkenazy gelingt es mit seinem perfekten, nuancenreichen Spiel, der halligen Sakral-Akustik die gefühlvolle Nähe abzutrotzen, die der Klang seines Instruments so sinnlich verkörpert. Zwar ist er im Halbdunkel des Podiums von den meisten kaum zu sehen, doch musikalisch und menschlich ist er sehr präsent.
Nach dem Auftakt mit Robert Schumanns romantischen „Fantasiestücken“ op. 73 nutzt er die Zeit, die er braucht, um das Kopfstück der Klarinette zu reinigen, zur Werkeinführung; genauer: um zu erzählen. Etwa davon, dass das Thema der Variationen von Jean Françaix den Ruf „Olivier!“ meint, dessen Enkel und Widmungsträger des Stücks; damit reicht er dem Publikum einen Schlüssel, der sonst kaum erwähnt wird. Um so verständlicher gehen dann die 1974 komponierten Variationen ins Ohr, flink, beweglich, virtuos – und humorvoll, Ashkenazys Klarinette singt, quiekt, brummt und lacht.
Leise Wehmut und kraftvolle Spielfreude verströmt dann die Sonate op. 167 von Camille Saint-Saëns, ein Spätwerk von 1921. Ashkenazy und Sepashvili spielen sich nicht in den Vordergrund, sondern stellen sich in den Dienst dieser Musik, der sie reichen Ausdruck und hohe Musikalität verleihen.
Nach der langen, genussreichen Pause im begrünten Kreuzgang geht es weiter mit Carl Reinecke und dessen „Introduktion und Allegro appassionato“ c-moll op. 256, einem der raren deutschen Komponisten, die Brauchbares für Klarinette geschrieben haben. In diesem Fall einen romantisch-dramatisch überfrachteten Solitär, zwar eindrucksvoll wiedergegeben, doch kein Großwerk der Tonkunst.
Angesichts ihrer Ausdrucksqualitäten scheinen Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ eigentlich bestens geeignet für den beseelten Bläserton; der Klarinettist und Komponist Robert Stark, den Ashkenazy ausdrücklich vorstellt und empfiehlt, hat sie für sein Instrument bearbeitet. Doch die ausgewählten Lieder („Wir spielen drei“, bemerkt der Solist) fallen recht unterschiedlich aus; ihre Tonlage passt nicht überall, und sie sind hörbar „pianistisch“ gedacht, die Klavierbegleitung klingt in diesem Fall authentischer als die Melodie.
Wie Saint-Saëns‘ op. 167 ist Francis Poulencs Sonate op. 184 ein sehr spätes, doch traditionelle Muster frei verarbeitendes Stück: 1962 entstanden, wurde es im Folgejahr durch Benny Goodman und Leonard Bernstein (nach Poulencs Tod) in New York uraufgeführt. Ein 15-minütiges Paradestück für jeden Klarinettisten, gespickt mit Herausforderungen aller Art, für Dimitri Ashkenazy Gelegenheit, sein ganzes Können in die Waagschale zu werfen. Zu erleben sind brillante Technik und langer Atem als Grundlage des Ganzen, darüber hinaus Spielwitz und Wandlungsfähigkeit, Spannung und Suggestionskraft, bittersüßer Schmerz, am Ende Lachen und Weinen – alles aus der Klarinette gezaubert bis zu Poulencs überraschendem Schluss. Viel Applaus, eine Zugabe, dazu noch eine lustige Geschichte aus Ashkenazys Musikerleben, am Ende ein herzlicher Abschied.