Musik

Bebenhausen – Feurige Serenade

„Klassik meets Gypsy“: Der Pianist Heiner Costabel eröffnete seine Sommerreihe im Klosterefektorium mit der serbischen Geigerin Zorana Memedovic

BEBENHAUSEN. Der Pianist Heiner Costabel gestaltet seit Jahren eine kleine konzertante Sommerreihe im Kloster Bebenhausen. Diesmal hatte er zum Auftaktkonzert am Samstagabend wieder die serbische Geigerin Zorana Memedovic an seiner Seite, die in Stuttgart beim Melos-Geiger Gerhard Voss Violine studiert und mit Weltstars wie José Carreras, Tina Turner, Phil Collins, Christina Aguilera oder Andrea Bocelli Erfolge über die Genre-Grenzen hinweg gefeiert hat. „Klassik meets Gypsy“ hieß der Titel der feurigen Serenade vor dem nach diesem Hochsommertag gut hälftig besetzten Saal.

Die Akustik dort ist unter diesen Bedingungen heikel, jedenfalls für einen Sprecher, und auch für einen Flügel. Heiner Costabel spielt nicht nur seinen kleinen Steinway, er pflegt diese Konzerte auch als ebenso kundiger wie unterhaltsamer Plauderer zu moderieren. Einer solistischen Geige kommt dieser Hall durchaus entgegen, weil er auch einen kleineren Ton als den, über den Zorana Memedovic auf ihrem vermutlich böhmischen Instrument verfügt, richtig groß machen könnte.

Zorana Memedovic. Foto: Martin Bernklau

Zorana Memedovic – übrigens auch als Sängerin ausgebildet und erfolgreich auf den Bühnen – hat nicht nur Charisma, einen herrlichen Ton und feuriges Temperament, sondern auch eine makellose Technik. Die Finger fegen virtuos und in absolut sauberer Intonation über die Saiten, die sie kraftvoll, gerade und stets rechtwinklig mit ihrem Bogen bestreicht, dem weder Läufe und Arpeggien noch spitze Spiccati und sonorer Vollklang Probleme bereiten.

Welch wunderbar weichen Klang sie – mit sehr klug zur Intensivierung eingesetzten Handgelenks-Vibrato – gestalten kann, das führte sie nach dem energisch klaren Kopfsatz von Antonio Vivaldis Violinkonzert a-Moll im Mittelsatz vor, der wie alle diese langsamen Sätze des venezianischen „Prete rosso“, des „roten Priesters“ mit seinem Mädchenorchester des Waisenhauses Ospedale della Pietà mit unglaublich inniger Melodik eine zärtlich-lyrische Atmosphäre entfaltet. Auch dieses Konzert hat er seiner Favoritin, der Geigerin Anna Maria gewidmet. Es gehörte zu den Partituren, die sich Johann Sebastian Bach zuschicken ließ und dann für Orgel umarbeitete.

Heiner Costabel begleitete das so sensibel, wie er bei den Ecksätzen in rhythmischer Klarheit und ausgewogener Energie für das Fundament sorgte. Hin und wieder gaben ihm solistische Stellen Gelegenheit, seine hohe Anschlagskultur vorzuführen. Im Finale kam dann schon viel von diesem vulkanischen Temperament hervor, das den zweiten, den „Zigeunerteil“ des Konzerts prägen sollte.

Heiner Costabel am Steinway als sensibler Begleiter von Zorana Memedovic. Fotos: Martin Bernklau

Neben Chopin gehört für den Pianisten auch Franz Schubert zu den bevorzugten Klavierkomponisten, von dem sich das Duo die Sonatine D-Dur ausgesucht hatte, die – bis auf seine charakteristischen Punktierungen – schon alle Fertigkeiten und Qualitäten und den besonderen Ton des damals 19-jährigen aufweisen – ein völliger Autodidakt, wie der Moderator erzählte und nahelegte, war Franz Schubert freilich nicht. Von seinem Herrn Vater, einem musikalisch hochgebildeten Grundschullehrer, sowie dann als Sängerknabe und zeitweiliger Schüler Salieris bekam das Genie schon eine sehr solide Grundlage für sein Komponieren mit.

Nach der Pause kam der Mottoteil „Klassik meets Gypsy“, wie sich das für eine solche Serenade gehört, auch mit heiter unterhaltenden Elementen wie der Kostümierung. Für den „Csárdás“ von Vittorio Monti, sein berühmtes, sprühend feuriges Virtuosenstück, kam die ziganesk gewandete Geigerin – Heiner Costabel trug feuerrote Schärpe und Mütze – spielend vom gegenüberliegenden Eingang durch den Mittelgang auf die Bühne. Der Moderator sah sich außerstande, auf das verbotene Wort „Zigeuner“ zu verzichten und schimpfte über ideologisierte Sprachvorschriften, die ihm eine „Diskreditierung der Zigeunerkultur“ bedeuteten.

Begeisterter Beifall für den Pianisten mit roter Schärpe und Jakobinermütze und die Geigerin im ziganesken Outfit.
Foto: Martin Bernklau

Zorana Memedovic merkte man in jeder Sekunde die Begeisterung an, bei souveräner Beherrschung des Technischen ihr ganzes balkanisches und vulkanisches Temperament in diese mitreißende und hinreißende Musik zu legen. Sie hat häufig mit bekannten Zigeunermusikern (die sich selbst so nennen) wie dem Pariser Familienorchester von Lakatos, dem „König der Zigeunergeiger“, zusammengearbeitet. Das Publikum jubelte.

Etwas sanfter und besinnlicher klang eine „Russische Fantasie“ in a-Moll, für die der gebürtige Kiewer Virtuose Leo Portnoff (1875 bis 1940), vermutlich mit familiärem Sinti-Hintergrund, berühmt ist. Zorana Memedovic spielte die ganze ungebrochen romantische Sinnlichkeit dieser Musik mit vollem Ton und Schmelz aus, ohne je in Kitsch und übertriebene Gefühligkeit zu verfallen. Doppelgriffe, Glissandi, Pizzicati halsbrecherische Arpeggien – alles dabei und mit selbstverständlicher Leichtigkeit gemeistert.

Den Schluss bildete eine Bearbeitung des bekanntesten der Ungarischen Tänze von Johannes Brahms, des 5. in fis-Moll, von beiden Musikern mit dem ihm eigenen ungeheuren Schwung und höchster emotionaler Intensität dargeboten. Der junge Brahms soll, so erzählte Heiner Costabel, in Hamburg ganz früh mit Zigeunermusikern in Kontakt gekommen sein, die Brahms‘ Vater von seinen Auftritten in Kneipen von St, Pauli als Gäste mit nach Hause brachte. In der Wiener Zeit von Johannes Brahms sah man nicht nur seine ungarischen „Zigeunerweisen“ weithin für authentische Volksmusik an.

Umjubelt für ihre „Zigeunermusik/ Gypsy meets Klassik“: Geigerin Zorana Memedovic und Heiner Costabel.
Foto: Martin Bernklau

Für den allfälligen Jubel gab es noch drei Zugaben: die eigene Bearbeitung eines Tangos von Carlos Gardel von Zorana Memedovic, Jules Massenets „Méditation“ über die Themen seiner Oper „Thais“ sowie das Stückchen „Salut d’amour“ von Edward Elgar – ein vergnüglicher, temperamentreicher und schwungvoller Sommerabend in traumhafter Umgebung, der am 24. August – selber Ort, selbe Zeit – mit Helen Buck (Blockflöte und Cello) fortgesetzt wird.

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