Die 40. Französischen Filmtage eröffnen mit der schrägen Musikkömödie „La grande magie“ im Tübinger Museum.
TÜBINGEN. „La grande magie“ ist eine zauberhaft leichte, etwas absurde und von Musik beschwingte Kinokomödie. Mit dem Film von Noémie Lvovsky begannen am Mittwochabend im Museum die 40. Französischen Filmtage, umrahmt von einer mit viel Prominenz bestückten Begrüßung und einer anschließenden Eröffnungsgala in den Oberen Sälen. Film und Festakt liefen gleichzeitig per Live-Schalte in den Spielstätten Studio und dem Reutlinger Kamino.
Moderatorin Stefanie Schneider machte zum Jubiläum keinen Hehl aus der wahrhaftigen Saga: Es waren ausschließlich sechs, sieben Gründungsväter, die vor 40 Jahren im von Rauch und Rotwein geschwängerten Dunst eines Reutlinger Hinterzimmers die Idee des Festival International du Film Francophone (FiFF) gebaren. Die Männerdominanz war bald beseitigt. Reutlingen, Rottenburg und vor allem Stuttgart wurden Dépendancen des jährlich im Herbst veranstalteten Festes.

Running Gag der Eröffnungen waren über viele frühe Jahre die angekündigten Filmstars von Fanny Ardant bis Gérard Dépardieu, die dann doch nicht kamen. Das hat man nicht mehr nötig. Stefanie Schneider und Festivaldirektor Christopher Buchholz begrüßten hohe diplomatische Gäste, die Politprominenz der wichtigsten Geldgeber – Stadt, Land, Bund – samt ein paar Repräsentanten der wichtigsten Sponsoren und Partner. Per Video wurden Grußworte eingespielt. Volker Schlöndorff, kleine Panne, blieb stumm. Stargast wird die Schauspielerin und César-Gewinnerin Emmanuelle Devos („Sur mes lèvres“) sein, die am Samstag zu einer sechsteiligen Retrospektive gesprächsweise einen Masterclass-Workshop gibt.
Viel Gespräch, auch Musik (etwa ein Cinéconcert live mit Jean-Yves Leloup zum Hundertjährigen von Buster Keatons „Three Ages“) begleiten das einwöchige Festival, zusammen 90 Filme und seine neun Wettbewerbs-Beiträge, deren besten Nachwuchsfilm die am kommenden Mittwoch eine internationale Jury mit Virginie-Fabre-Franz, Nicole Gillet und Philippe Maynial mit den Grand Prix prämiert. Der Kurzfilmpreis sowie Publikumspreisen in Tübingen, Reutlingen und Stuttgart kommen hinzu. Ein wenig Festival-Retrospektive muss auch sein.
„Die emotionale Komponente ist das Wichtigste“, sagte Stefanie Schneider. Dazu aber auch das Geld. Und nach seiner Exzelllenz François Delattre, dem Botschafter der Französischen Republik in Berlin, traten deshalb auch der Stuttgarter Kultusstaatssekretär Arne Braun, der Geschäftsführer der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) Carl Bergengruen, Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und – als Nachfolger der langjährigen Kinogastgeber Volker Lamm und Stefan Paul – Carsten Schuffert zur zweiten Vorsitzenden auf die Bühne, der nach der fatalen Corona-Baisse die Tübinger Kinos – das Arsenal schließt zum Jahresende – nicht nur retten, sondern zu neuer Blüte führen will. Als Co-Produzent des Eröffnungsfilms kam auch Markus Nievelstein, der Geschäftsführer des deutsch-französischen Kultursenders Arte, ans Mikrofon von Stefanie Schneider
„Der große Zauber“, Eröffnungsfilm von Drehbuchautorin, Regisseurin, Schauspielerin und Musikerin Noémie Lvovsky, führte in die französische Küstenprovinz der Zwanzigerjahre. Bei der Zauber-Vorführung einer ziemlich abgerissenen Gaukler-Truppe verschwindet Marta, die unglückliche Ehefrau eines verbiesterten Bürgers, tatsächlich. Mit immer neuen Verwechslungen und Überblendungen von magischen Tricks – die treulose Verschwundene soll sich in einer Holzschachtel befinden – und denkbarer Wirklichkeit treibt der Vaganten-Patron Albert den Gatten doch noch in den Wahnsinn, als gerade eine zärtliche Versöhnung möglich wäre. Ganz ohne Pomp inszeniert, ist die absurd-groteske Tragikomödie auch ein Musikfilm. Das Publikum feierte ihn, bevor es sich in die lange Schlange zum Fest-Büffet einreihte.
