Das Tübinger Kammerorchester unter Gudni A. Emilsson musizierte im Festsaal mit den Solisten Mathias Stelzer (Horn) und David Hanke (Blockflöte)
TÜBINGEN. Voll besetzt war der Festsaal der Neuen Aula, als das Tübinger Kammerorchester zum Weihnachtskonzert lud. Das Programm lockte mit vier barocken Concerti, einem Mozart-Konzert und zwei Solisten: Mathias Stelzer (Horn) und David Hanke (Blockflöte), die Leitung hatte Gudni A. Emilsson.
Wer sich auf Bachs drittes Brandenburgisches Konzert als Auftakt gefreut hatte, wurde enttäuscht. Kurzfristig ersetzten Emilsson und seine kleine Streicherbesetzung (plus Cembalo) das beliebte Werk durch ein eher unbekanntes Concerto für Orchester von Antonio Vivaldi (Nr. 10 in D-Dur RV 121). Es überraschte mit seidiger Eleganz und einem geradezu elegischen Mittelteil, der das Können der handverlesenen Ensemblemitglieder ins rechte Licht rückte; das jetzige, professionell aufspielende Tübinger Kammerorchester hat mit dem „Jugendsinfonieorchester Tübingen“, wie es 1957 von Helmut Calgéer gegründet wurde, nicht mehr viel zu tun.
Während Mozarts Requiem mit Todesnähe-Legenden umwoben wurde, hat man das gleichzeitig entstandene, ebenfalls unvollendete und durch Süßmayr ergänzte Hornkonzert verschämt an die früheste Stelle der vier Hornkonzerte verschoben. Vielleicht, weil es allzu heiter für ein Todesjahr scheint? Außerdem fehlt ihm der ruhige Mittelteil, der hier ergänzt wurde durch eine „Elegie nach dem Guggisberg-Lied op. 18 (bearb. Hiltenbrand)“. Ernest Hiltenbrand ist ein 1945 im Elsass geborener komponierender Hornist, seine „Elegie“ erinnert an spätromantische Filmmusik und trennt die zwei unbeschwerten Mozart-Sätze als weiträumiger, düsterer Fremdkörper.
Doch der junge Hornist Mathias Stelzer überbrückt die Gegensätze mit kraftvoll strahlender, geschmeidiger Tongebung, sicherer Technik und flinker Bewegung; spritzig mit Mozart, dunkel getönt in der Elegie. Das Orchester assistiert ihm frisch und präzise im raschen Wechselspiel.
Gleich zwei bekannte barocke Blockflöten-Concerti nacheinander – konzertdramaturgisch gesehen ungewöhnlich, wenn nicht gar abseitig; schnell-langsam-schnell, derselbe Klang, derselbe Stil, dieselben Figuren. Doch David Hanke, Blockflötist aus Bayern, macht alles mit, ob im Swimmingpool oder auf der Suche nach neuen Grenzen (wie er in seiner Vita schreibt) – hier nun das Konzert für Blockflöte F-Dur von Giovanni Battista Sammartini und gleich danach das Konzert für Blockflöte C-Dur RV 443 von Vivaldi, beides beliebte Repertoirestücke und bestens geeignet, die Virtuosität des Spielers herauszustellen.
Das lässt sich David Hanke nicht nehmen. Sammartini geht ihm leicht von der Hand, locker perlen die Figurationen aus der Sopranflöte, federleicht tänzerisch die Ecksätze, lupenrein wiegend das Siciliano. Vivaldis Flautino-Konzert und Hankes brillante Spielfreude entzücken das Publikum so sehr, dass es schon nach dem ersten Satz jubelt, erst recht nach dem schnellen Finalsatz, der als halsbrecherische Akrobatik auf dem viel zu klein scheinenden, hell klingenden Flötlein daherkommt. Trotz anhaltenden Jubels gewährt Hanke keine Dreingabe – die folgt am Ende.
Vorher kommt als weiteres italienisches Concerto Geminianis Bearbeitung von Corellis Follia-Variationen zu Gehör, die eine Woche zuvor auf dieser Bühne in einem Flöte-Harfe-Arrangement aufgeführt wurden. Das Original ist eine Violinsonate, und das merkt man dieser Orchesterbearbeitung an: Violine und Cello übernehmen die reich ausgezierten, virtuosen Variationen als Soli im Ensemble. Peter Weimar und Christian Adamsky (beide von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen) werfen sich in akkuratem Wechselspiel die virtuosen Bälle zu und überzeugen mit ihren Kollegen als detailgenau die abwechslungsreiche Partitur auslotendes Kammerensemble.
Zuletzt erfüllt David Hanke den Wunsch des Publikums: Er entlässt es mit einer reich gezierten, gelassen schweifenden Zugabe in die Vorweihnachtszeit.