Kunst

Spendhaus – HAP Grieshabers Bauernkrieg

Das Reutlinger Kunstmuseum Spendhaus eröffnet eine Ausstellung mit Werken HAP Grieshabers und seiner (Zeit-)Genossen zum Bauernkrieg

REUTLINGEN. Es gehört zur Erbpflege eines Museums, auch die Werke seines „Hausheiligen“, so Stephan Rößler als Leiter des Kunstmuseums Reutlingen, immer mal wieder aus den Beständen zu holen und auszustellen. Es hätte kaum einen besseren Anlass dafür geben können als das 500-Jahr-Gedenken an den Bauernkrieg, der für den großen Holzschneider HAP Grieshaber ein ganz wichtiger Angelpunkt seines historischen Denkens war. „Das Politische schneiden.“ ist die von Elvira Mienert kuratierte Ausstellung betitelt, die am Donnerstag um 19 Uhr von OB Thomas Keck eröffnet wird.

Glanzstück im ersten Obergeschoss: Stephan Rößler und Elvira Mienert vor HAP Grieshabers Bauernkriegs-Beitrag zur documenta III aus Schloß Erkersreuth. Foto: Martin Bernklau

Ergänzt werden die Werke Grieshabers durch Arbeiten von Künstlern wie Käthe Kollwitz, Alfred Hrdlicka oder Werner Tübke als Leihgaben anderer Museen, darunter dem Bauernkriegsmuseum in Böblingen, wo am 12. Mai 1525 eine der entscheidenden und blutigsten Schlachten des Deutschen Bauernkriegs stattfand, den die Aufständischen unter Dreingabe von wohl mindestens 75 000 Hingemetzelten am Ende gegen den Schwäbischen Bund und andere Fürstenheere (und ihre moderner bewaffneten Landsknechte) verloren.

Das Glanzstück der Ausstellung aber stammt aus dem Nachlass des Porzellanfabrikanten, Politikers, Mäzens und (jüdischen) Humanisten Philip Rosenthal auf dessen Barockschloss Erkersreuth im oberfränkischen Selb. Es sind zwei (von neun dort sonst fest montierten Druckplatten) und einer der dazugehörigen Holzschnitte, die wiederum zu einer zehnteiligen Arbeit gehörten, die Grieshaber anno 1964 bei der documenta III in der Rotunde des Kasseler Fredericianums als „Graphik 1963“ ausstellte. Vier der Teile hatten den Bauernkrieg zum Thema.

„Paraphrasen“ zu Jerg Ratgebs Altar. Foto: Martin Bernklau

Im Jahr zuvor hatte Grieshaber sein noch berühmteres Diptychon „Bauernkrieg“ geschaffen, dessen beide Abzüge aber weder in Rotterdam noch in Münster abkömmlich waren. Auch auf dem „Sturmbock“ im Rathaus, Grieshabers Opus magnum zur Reutlinger Stadtgeschichte, sind die Bauernkriegs-Motive „Bauern, Ritter, Todesengel, Sarkophag“ zu finden.

Der Todesengel war ein besonderes vielfältig variiertes Thema für den Künstler von der (Eninger) Achalm. Er benannte ihn so nach dem „Engel der Geschichte“ aus den berühmten 18 Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ des marxistischen Philosophen und Kulturkritikers Walter Benjamin. Dieser wiederum besaß (und hinterließ nach seinem Freitod auf der Flucht vor den Nazis in Port Bou) eine aquarellierte Zeichnung von Paul Klee mit dem Titel „Angelus novus“.

Die obere der zwei Ausstellungsetagen widmet sich vor allem einer weiteren Leitfigur des Künstlers HAP Grieshaber, dem Maler („Herrenberger Altar“), Bauernkriegsführer „und Märtyrer“ (HAP) Jerg Ratgeb. Er wurde im Jahr 1526 auf dem Pforzheimer Marktplatz gerädert und gevierteilt. Auf die Darstellung dieser grausamen Hinrichtung als „Ratgeb-Triptychon“ sind zwei weitere großformatige Holzschnitte zur Pforzheimer Stadtgeschichte bezogen.

Zur Pforzheimer Stadtgeschichte. Foto: Martin Bernklau

Der erste stellt die die Verwüstung der Stadt im September 1692 dar, als während des Pfälzischen Erbfolgekriegs der „Mordbrenner“ Melac, General des Sonnenkönigs Ludwig XIV., im deutschen Südwesten marodierte und nicht nur Pforzheim in Schutt und Asche legte. Das wiederum bezieht Grieshaber auf die Vernichtung der Stadt am 23. Februar 1945 durch einen englischen Bombenangriff. Mit an die 20.000 Toten war es relativ gesehen der verheerendste auf eine deutsche Stadt überhaupt. Weil der historisch bewusste Künstler aber Ursache und Wirkung kennt, postiert er einen deutschen Soldatenkopf vor die Flammen des Feuersturms.

„Paraphrasen zum Ratgeb-Altar“ nennt Grieshaber eine Reihe zu Jerg Ratgeb, „Bauernpaar“ oder „Bauernhaufen“ andere Arbeiten, die teils auch als Probedrucke vom Entstehungsprozess zeugen. „Aufruhr“ ist eine Arbeit (aus Reutlinger Bestand) von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1899 betitelt. Von Werner Tübke, dem Doyen der DDR-Kunst und Schöpfer des monumentalen Bauernkriegs-Panoramas in Bad Frankenhausen, dem Ort der endgültigen Niederlage von Thomas Müntzers Thüringer Haufen, ist eine Grafik zu sehen, dazu aus der einstigen DDR auch Bernhard Heisig als Vertreter der „Leipziger Schule“.

Alfred Hrdlickas Entwurfszeichnung zum Bauernkriegsplakat. Foto: Martin Bernklau

Eine wilde Entwurfszeichnung Alfred Hrdlickas für ein Plakat zum Bauernkrieg hat das Böblinger Bauernkriegsmuseum ans Spendhaus verliehen. In seinen Beständen findet sich auch eine schöne Arbeit des in Weil im Schönbuch lebenden Elsaässers Gérard Kimmel zum Thema Bauernkrieg.

Die Bauernkriegs-Arbeit von Gérard Krimmel. Foto: Martin Bernklau

Info: Die Ausstellung „Das Politische schneiden. HAP Grieshaber und der Bauernkrieg“ wird am Donnerstag, 31. Juli, um 19 Uhr im Reutlinger Spendhaus eröffnet und ist bis zum 28. Januar 2026, jeweils Di bis So, 11 bis 17 Uhr (donnerstags bis 20 Uhr), zu sehen.

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