Musik

musica nova – Die Frage nach dem Frausein

Bei der „musica nova“ erkundeten Carlotta Lipski (Mezzosopran) und Magdalena Wolfarth (Klavier) Weiblichkeit in den Reutlinger Wandel-Hallen

REUTLINGEN. Mit ihrer feministischen Performance im Rahmen der musica nova Reutlingen fragten Carlotta Lipski (Mezzosopran) und Magdalena Wolfarth (Klavier) am Freitagabend: „Are Women People?” Die Frage ist von der US-amerikanischen Autorin Alice Duer Miller geborgt, die 1915 eine satirische Gedicht- und Textsammlung damit überschrieb. Nun dient sie als Motto einer feministischen Performance in Form einer gut einstündigen Collage aus unterschiedlichen Elementen, dargeboten von den jungen Künstlerinnen Carlotta Lipski und Magdalena Wolfarth mit Stimme/n und Klavier sowie zahlreichen ungenannten Frauen, die unsichtbar aus den Boxen sprechen.

Carlotta Lipski. Foto: Susanne Eckstein

Zu Beginn darf man seine Englischkenntnisse überprüfen. Lipski und Wolfarth marschieren singend ein, gekleidet in Puppenkleider mit Schleifen und Rüschen, und verteilen Werbeblätter. Aus dem Off kommen obszöne Beleidigungen mit dem Refrain „What I found in my mailbox today“ als Ouvertüre zu einem melodramatischen Monolog der Sängerin, mit durchdringender Stimme deklamiert, skandiert, gesungen. Es geht um Hassmails und Freiheit – für wen?

Die anschließend betont artifiziell vorgetragenen Gedichtvertonungen von Emilie Mayer und Josephine Lang aus dem 19. Jahrhundert wirken wie eine Verfremdung. Auf „Du bist wie eine Blume“ (Heine) und „Ob ich manchmal dein gedenke“ (Köstlin) wird zwar spontan applaudiert, ob der Beifall aber die Originallieder oder ihre ironische Überzeichnung meint, bleibt offen.

Ähnlich ambivalent wirkt ein Alma-Mahler-Block. Hier nehmen die „Alma-Phantasien“ „1. Wilde Komponiererei“ und „2. Nur der seinen leben“ von Manuela Kerer (2012) Alma Mahlers Lied „Bei dir ist es traut“ in die Mitte: Expressive und exzessive vokale Gewalt trifft auf ein zartes Kunstlied, das die Sängerin ins Flügel-Gehäuse hinein singt.

Der Welt den Rücken: Carlotta Lipski singt ein Lied von Alma Mahler in den Flügel hinein, an dem Magdalena Wolfarth sie begleitet. Foto: Susanne Eckstein

Eine weibliche Stimme aus dem Off überlegt nun, was eine fiktive Schwester Shakespeares wohl erlebt hätte, andere versuchen die Frage zu beantworten, was es für sie bedeutet, Frau zu sein. Die Nummer von Kathleen Tagg („Wedding“ aus „This Be Her Verse“) ist nur halb verständlich, Singen geht über in Sprechen, „You will always be waiting“ warnt der Textschluss. „Moon“ von Cecilia Livingston erweist sich als ein Klavierstück (von 2011), dem die Sängerin auf einem Stuhl mit einer Illustrierten in der Hand lauscht.

Sie verwandelt sich dann in „Die Alte“, die mit skurrilen Laut- und Atemäußerungen vom Kieksen bis zum Schmerzensschrei und ihrer szenischen Darstellung das Publikum zum Lachen und Jubeln bringt. Die klanglich-gestalterische Intention der Komponistin Carola Bauckholt gerät so in den Hintergrund.

Zu den weiterhin aus den Boxen dringenden Statements der Frauen falten die Künstlerinnen nun Papierschiffchen aus Werbeblättern und verteilen sie im Publikum – als Zeichen für den Aufbruch in die Freiheit? Ebenfalls als witzige Nummer versteht man die gesungene Improvisation über typische an Frauen gerichtete Texte und Sprüche, etwa „Ich möchte einen Klopfstaubsauger“ oder „Du siehst ja toll aus“.

Während das Publikum die Leistung der jungen Künstlerinnen bejubelt, fühlt sich die Chronistin eher peinlich berührt, weil es durchweg um junge Frauen ging. Die alten kamen gar nicht vor, abgesehen von der senilen Witzfigur in „Die Alte“. Diese Perspektive könnte man durchaus als diskriminierend werten, gerade angesichts der Konzertbesucherinnen im Seniorinnenalter. Wie haben die sich dabei gefühlt?

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