Kino

„Konklave“ – Wir sind Papst!

Im Tübinger „Museum“ und der Reutlinger „Planie“ läuft Edward Bergers düsterer Vatikan-Thriller an

TÜBINGEN /REUTLINGEN. Die Geheimnisse des Vatikan haben selbst Ungläubige schon immer genauso fasziniert wie seine Pracht und seine Macht. Inspiriert von Geschichte und Gegenwart hat Oscar-Preisträger Edward Berger („Im Westen nichts Neues“) seinen Thriller um eine fiktive Papstwahl inszeniert, der ganz ohne Gift und Gewalt, ohne Schüsse und (fast) ohne Leichen auskommt. Er hat sein „Konklave“ – das ist die Wahl eines neuen Papstes aus der Mitte der in völliger Klausur abgeschotteten Kardinäle – in das Jahr 2018 gelegt und prominent besetzt.

Weißer Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle, dem Ort der Wahl in Rom: „Habemus Papam!“ Das Drei-Päpste-Jahr 1978 mit dem plötzlichen Tod des lächelnden Oberhirten Johannes Paul I. und der überraschenden Wahl des polnischen Kardinals Karol Woytila zu seinem Nachfolger liegt lange genug zurück; auch Josef Ratzinger („Wir sind Papst!“) als Benedikt XVI. ist längst Geschichte. Und der vom Konklave des Jahres 2013 gewählteArgentinier Jorge Mario Bergoglio ist als Franziskus I. zwar gebrechlich geworden, aber doch noch nicht so hinfällig, dass der Termin als takt- und geschmacklos hätte gelten müssen. Immerhin hat er dieser Tage die päpstlichen Begräbnis-Regeln radikal geändert.

Ralph Fiennes als Kardinal Lawrence. Fotos: Verleih

Mit dem Herztod des amtierenden Oberhaupts aller Katholiken beginnt ein leises Kammerspiel in gedämpftem bis düsteren Licht, das nicht nur auf jede vatikanische Prachtentfaltung, sondern zunächst auch völlig auf knallige cineastische Effekte verzichtet, und trotzdem von Anfang an zu fesseln versteht. Das liegt auch am fein rhythmisierten Schnitt und an den Darstellern. Neben Ralph Fiennes, dem „Englischen Patienten“ und dem KZ-Kommandanten Amon Göth aus „Schindlers Liste“, als zum Wahlleiter verpflichteten Kardinal Lawrence ist da nicht zuletzt Isabella Rossellini zu nennen, deren einst so atemberaubende Schönheit hinter dem frommen, strengen und gehemmten Gesicht der Generaloberin Agnes kaum wiedererkennbar ist. Mit dieser Rolle hat Peter Straughans Drehbuch die Romanvorlage von Robert Harris ergänzt, vielleicht auch, um diese reine Männergesellschaft geschlechtlich ein wenig bunter zu besetzen.

Das Personal-Tableau für dieses Konklave ist gar nicht so realitätsfern, wie überhaupt die Fakten der Geschichte bei einigen kleinen Freiheiten (bis zum Färben des Rauchs) recht gut recherchiert ist. Da gibt es die Konservativen und Reaktionäre, als deren Kandidat für den Stuhl Petri der borghiahaft kraftstrotzende Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) gilt. Die eher Progressiven oder Liberalen haben einen Kardinal Trembley (John Lithgow) zu ihrem Favoriten gekürt, der sich allerdings allmählich als korrupter Intrigant und Stimmenkäufer entpuppt und unmöglich macht: Dem aussichtsreichen Drittwelt-Bewerber Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) hat er zwecks Skandal eine nigerianische Nonne nach Rom ins Catering-Team des Gäste-Quartiers Domus Sanctae Marthae geschleust, der Adeyemi einst ein Kind gemacht hatte. Dass dieser Afrikaner auch ein stockreaktionärer Schwulenhasser ist, erfährt man nebenbei.

Und dann kommt da noch im letzten Moment ein Mexikaner namens Benitez (Carlos Diehz) ins Kardinalskollegium, dem der alte Papst seine Würde geheim (“in pectore“) verliehen hatte, um ihn als stillen Missionar einer winzigen Minderheit im muslimischen Kabul keiner Gefahr auszusetzen. Ihm wächst im Film eine ganz besondere Rolle zu. Den Intrigen und Ränkespielen des fast völlig abgeschottetren Kollegiums von gut hundert Kardinalsköpfen – eine Zweidrittelmehrheit ist notwendig für einen neuen Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi – darf man gebannt folgen bis zum arg überzeichneten Finale, das der Paukenschlag eines etwas an den Haaren herbeigezogenen Selbstmord-Attentats einleitet: Die hohen Fenster der Sixtina – man hat sie in der Cinecittà nachgebaut – bersten zwar durch die Bombe, die Scherben beschädigen aber weder Michelangelos Fresken, noch verletzen sie die wählenden Purpurträger ernstlich, von ein paar Schrammen und Schnitten abgesehen.

Wir wollen die kühne Volte dieses steilen Finales hier mal nicht verraten. Nur soviel: Die Pointe liegt sowas von genau auf einigen aktuellen Linien des Zeitgeistes und mancher innerkirchlichen Debatten…

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