Musik

KHG-„Elias“ – Pure Dramatik

Der Tübinger KHG-Chor und das KHG-Orchester Freiburg führen in der Stiftskirche Mendelssohn biblisches Oratorium auf

TÜBINGEN. Eine Katholische Hochschulgemeinde gibt es auch in Freiburg. Gemeinsam mit deren von Leonhard Kreutzmann einstudiertem Orchester dirigierte Jan Stoertzenbach am Sonntagabend in der vollbesetzten Stiftskirche seinen KHG-Chor. Für die Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys alttestamentarischem Oratorium „Elias“ kamen noch die vier ausgezeichneten Gesangssolisten Saskia Saegeler, Dalila Djenić (für die erkrankte Thalia Hellfrisch), Theodore Browne und Uli Bützer sowie verschiedene solistische Sängerinnen aus dem Chor hinzu.

Felix Mendelssohn Bartholdy (1810 bis 1848) war von einem Festival im britischen Birmingham mit der „Elias“-Komposition beauftragt worden, mit deren Plan er schon viele Jahre umgegangen war. Dort durfte das Oratorium zwei Jahre vor seinem Tod als einen seiner größten Triumphe feiern lassen. Zuvor allerdings hatte es Streit zwischen ihm und seinem „Paulus“-Librettisten Julius Schubring, einem evangelischen Pfarrer gegeben, der mehr christliche Bezüge in dem jüdisch-alttestamentarischen Stoff um den Propheten Elias und seinen Kampf gegen den Baalskult unterbringen wollte, was dem sonst so produktiven Mendelssohn die Arbeit an dem Oratorium zeitweise fast verleidete. Aber er, der getaufte Jude, setzte sich am Ende durch und fühlte sich hörbar wohl in der hochdramatischen Elias-Geschichte seiner Ursprungsreligion.

Dürren und Hungersnöte gab es auch zu jenen biblischen Zeiten immer wieder. Unter dem König Ahab und seiner kanaanitischen Frau Isabel aber beginnt sich das Volk Israel von Jahwe abzuwenden und regionalen Vielgöttereien, vor allem dem Baalskult anzuhangen. Der wunderreiche Kampf des Elias um den rechten Glauben endet mit seinem Sieg, dem Ende der Not, aber auch mit der heute höchst befremdlich erscheinenden Abschlachtung der Baals-Anhänger.

Bei allen Bezügen zu großen Vorbildern wie Bach oder Händel hat Mendelssohn mit dem „Elias“ ein ganz anderes, ganz eigenes Oratorium geschaffen, in dem es keine betrachtenden Arien oder Choräle, sondern nur Handlung gibt, Rollen und Taten, eingerahmt in große Chöre, aber auch in jene sogenannten Turbae, Volkschöre, die etwa Bachs „Johannespassion“ prägen und worin das Volk und seine Menschenmassen Teil der Handlung werden, die praktisch pausenlos vorangetrieben wird. Es gab aber wegen der Gesamtlänge von zweieinhalb, fast drei Stunden eine viertelstündige Pause nach dem ersten der beiden Teile.

Jan Stoertzenbach passte seine Interpretation mit sehr exaktem Dirigierstil vom ersten Introitus an, dem geheimnisvoll gestalteten Fluch des Elias und der Ouvertüre den dramatischen Gegebenheiten an: ganz sprachbetont und deklamatorisch sang der Chor von leisem Flüstern bis zu mächtigen Fortissimi. Auch das Orchester wusste filigran zu begleiten, konnte die Klänge aber auch mit kantiger Kontur und Wucht modellieren. Die für Mendelssohn sonst so typische elegant sanfte Sanglichkeit kam eher selten zum Einsatz – vielleicht am ehesten noch in den wundersamen Sätzen „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ oder dem ätherischen Terzett „Hebe Deine Augen auf“ der solistischen Frauenstimmen oder der vom Lettner aus gesungenen Knabenpartie (Kathrin Erhardt).

Das galt auch für die Vokalsolisten, die ihre kraftraubenden Parts ausnahmslos exzellent bewältigten. Saskia Saegeler führte ihren Sopran oft hochdramatisch mit kraftvollen Spitzentönen, konnte aber auch lyrische Passagen zeigen, ähnlich wie die leicht und dicht geführte Tenorstimme von Theodore Brown. Mit seinem hellen Bariton war Uli Bützer ein eher ungewöhnlicher Elias, der seiner Rolle aber durchaus auch Majestät abzugewinnen wusste. Klassisch dunkel gefärbt, aber ganz klar und sprachbetont sang auch Altistin Dalila Djenić ihren makellos dargebotenen Einspringer-Part.

Dem KHG-Chor gingen bis zum mächtigen Schlusschor weder die Stimmkräfte noch die Konzentration aus. Diese Akkuratesse in Chor und Orchester betraf auch die vielen eindringlich durchgehaltenen Generalpausen, mit denen Jan Stoertzenbach der Dramatik zusätzliche Spannungsmomente abzugewinnen wusste.

Am Ende brach schnell ein zum ausdauernden Jubel anschwellender Beifall los. Viele Zuhörer erhoben sich und feierten die Interpreten und besonders den jungen Dirigenten minutenlang.

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