Bühne

ITZ (2): Der Krimi-Plot schlingert

Das Tübinger Zimmertheater (ITZ) setzt seinen Krimi-Siebenteiler „Im Taumel des Zorns“ mit der zweiten Episode fort

TÜBINGEN. Die Zuschauer können sich heimisch fühlen. Alles vertraut am Samstagabend beim „Taumel des Zorns“, Episode 2 des Fortsetzungskrimis im Tübinger Zimmertheater, Spielstätte „Löwen“. Und wieder ausverkauft.

Nachdem Hausherr Peer Mia Ripberger einen großartigen Einstieg abgeliefert hatte, gibt Abend-Regisseurin Magz Barawasser vor dem wunderbar abstrakten Bühnenbild von Valentin Baumeister zunächst einen Rückblick auf die Exposition, den gescheiterten Einstieg des Trios aus Holle (Eva Lucia Grieser) und des schwulen Pärchens Enno (Cyril Hilfiker) und Ove (Morris Weckherlin) in die Krankenhausapotheke zur Drogenbeschaffung, was in eine Geiselnahme ausgeartet ist.

Ove war die Sache dann zu heiß geworden. Der tippgebende frühere Pharma-Praktikant bekam Muffensausen und wollte nicht mehr. Man war verblieben, den gefloppten Coup in eine medienwirksame Anklage gegen die Machenschaften der geschassten Chefin Cecilia (Lauretta van de Merwe) und ihrer Angestellten Merit (Seraina Löschau) umzudeuten. Journalist Enno ist da schließlich Fachmann. Die Fortsetzungs-Story hat Caspar-Maria Russo verfasst.

Die Fortschreibung des Plots wirkt etwas bemüht – und das überträgt sich. Das Schauspieler-Quintett mutet ein wenig gehemmt, fast verklemmt an zu Beginn und spielt sich eigentlich nie wieder ganz so frei wie in der ersten Episode. Da helfen auch Schrei-Ausbrüche nicht drüber weg.

Jetzt rückt die Krebserkrankung der taffen Gudrun-Ensslin-Figur Holle, die plötzlich eine Waffe gezogen hatte, ins Zentrum – wortwörtlich. Enno trägt die Sieche („Ein Geschwür fickt das andere“) herein und legt sie vorsichtig in eine in die Mitte gespannte Hängematte, von wo aus sie das weitere Geschehen zu dirigieren versucht. Jetzt ist Enno der nervöse, fast panische Schisser. Um ihn zu beruhigen, soll Ove ihm einen blasen.

Enno und Holle (Cyril Hilfiker und Eva Lucia Grieser). Bild: ITZ/Gonschior

Der synchron sprechende, zuweilen reimende und sogar singende Chor (Musik Konstantin Dupelius und Justus Wilcken) beklagt den Krebs und andere Übel – Anspielungen auf Klimakleberei und das Berliner Regierungspersonal von Lauterbach bis Habeck gehören dazu – und kündigt einen ekstatischen „Totentanz für all die Toten“ an, was nur bedingt gelingt. Aus dem Off kommen weitere Figuren hinzu. Juri, ein Pathologe am Krankenhaus, der wohl der Ex der Apothekenchefin ist; ein Geschäftsführer und Personalleiter der Klinik sowie vor allem Karin, die sehr coole Einsatzleiterin der längst alarmierten Polizei. Der Deal ist: Frühstück für alle – ein wunderbares Requisit: das Croissant-Sofa – gegen die interne Auslieferung dringend nötiger Medikamente auf die Stationen. Aber das klappt nicht wegen einer Umstrukturierung der Medikamenten-Reserven. Es hakt allenthalben.

Ein Fernsehteam der ARD soll anrücken, um in der Morning Show für die notwendige Publicity einer zur Anklage umfunktionierten Geiselnahme zu sorgen. Holle legt sich mit Cecilia an, beschimpft sie im einstigen RAF-Jargon als „Fotze“ und schubst sie wüst, scheint aber eigentlich scharf auf sie und konkurriert mit Marte um deren wie immer geartete Gunst.

Doch dieses angedeutete Eifersuchtsdrama will nicht recht in die Gänge kommen, gewinnt nicht recht an Plausibilität und Überzeugungskraft wie alles am Konfliktpotential des Plots, auch das vorgebliche Ende der Beziehung zwischen Ove und Enno. Da fehlt trotz alles vulgären und lautstarken Aufmotzens irgendwie viel theatralisches Fleisch. Auch die große Rebellion der Marte gegen ihre Chefin wirkt etwas aufgesetzt.

Die Leitmotive der ersten Folge, vom „Himbeer-Popöchen“ bis zu Bonifatius Crux, der zuhause hungernden Katze der Apothekerin, werden nicht so recht aufgenommen und fortgesetzt. Auch der von einem großen und grundsätzlichen Cecilia-Monolog eingeleitete Showdown kommt dramaturgisch etwas unmotiviert und plötzlich daher: ein völliger Blackout und dann ein Schuss.

Dem rauschenden Applaus des Publikums tat das aber keinen Abbruch. Die zweite Truppe wurde ähnlich ausdauernd umjubelt wie das Team von Episode 1. Die dritte Folge kommt kurz nach dem Jahreswechsel.

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