Literatur

Islam – Die Kritikerin

Badawi-Mahnwache: Die Frankfurter Professorin Susanne Schröter sprach im Silchersaal des Tübinger Museums über ihr Buch „Im Namen des Islam“

TÜBINGEN. Sie gilt als prominenteste Kritikerin des politischen Islam hierzulande: Susanne Schröter, emeritierte Ethnologie-Professorin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Das Interesse war groß: Auf Einladung der Buchhandlung Osiander und der Gruppe der Badawi-Mahnwachen stellte sie am Donnerstagabend ihr Buch „Im Namen des Islam“ vor und gab den Zuhörern einen Überblick zu Geschichte und Gegenwart des politischen Islam.

Nach 500 samstäglichen Treffen vor der Stiftskirche hören die wöchentlichen Mahnwachen für den zu 1000 Peitschenhieben, zehn Jahren Haft und zehn Jahren Ausreiseverbot verurteilten saudischen Blogger und Menschenrechtler Raif Badawi auf. Nach 50 Hieben und zahllosen Aktionen der Gruppe hörte die Barbarei auf. Er ist nun sogar frei, darf aber das Land nicht verlassen. Die Gruppe, so ihr Sprecher Günther Herrmann, wird sich einen neuen Namen als „Badawi-Forum“ und einen monatlichen Rhythmus geben und den Blick auch auf den Iran richten, vor allem auf die „brutale Unterdrückung der Frauen“.

Auch Badawi sei ein Opfer des Politischen Islam, sagte Moderator Christopher Gohl. „Bedroht er auch die Demokratie?“, fragte er, erkundigte sich aber gleich nach dem Zentrum und Susanne Schröters Forschung. Sie sei eine „nicht geliebte Orchidee“ in einer Zeit, in der man es mit „Islamforschung nicht leicht hat an deutschen Unis“. Sie wies darauf hin, dass gerade muslimische Islamkritiker wie Hamed Abdel-Samad oder der israelische Araber Ahmad Mansour, gewissermaßen Mitstreiter, rund um die Uhr unter Polizeischutz stünden.

Ihren historischen Überblick begann Susanne Schröter dann mit der Charakterisierung Mohammeds als „politischer Führer, Religionsstifter und Feldherr“. Der junge Mann, mit einer wohlhabenden älteren Frau verheiratet, die ihn fortan treu unterstützte, habe über 20 Jahre hinweg zunächst bei Meditationen in der Wüste, dann auch in Medina und andernorts vom Erzengel Gabriel die Suren des Koran diktiert bekommen.

Der anfangs vom neuen Glauben an den einen Gott und von Barmherzigkeit geprägte Text sei später, von der „medinischen Phase“ an, immer mehr zu einer Rechtfertigung von Mohammeds eigenem Handeln geworden – wobei die jüngeren Verse für die wachsende Gefolgschaft die älteren „überschrieben“ hätten. Bis in die Gegenwart sei der Prophet das „ultimative Vorbild“ praktischen Handelns, auch wenn sein Koran das Schlagen von Frauen und die Ehe mit neunjährigen Mädchen propagiere, Mohammed die jüdischen Männer von Medina durch Messer-Enthauptung massakriert, die Frauen versklavt und an seine Mitstreiter zur sexuellen Ausbeutung verteilt habe – worauf, so Schröter, sich gerade der IS berufen habe.

Viel Interesse für Susanne Schröters Anmerkungen zum politischen Islam Fotos: Martin Bernklau

In seiner Phase von Aufstieg und militärischer Expansion – seit dem Jahr 622 etwa anderthalb Jahrhunderte lang – habe der Islam viel Fremdes aufgenommen, in Andalusien ein goldenes Zeitalter relativer Toleranz geübt – Juden und Christen, die „Dimmis“ der beiden anderen Schriftreligionen, mussten nur Abgaben zahlen – und die offen blühende Kulturmetropole und Millionenstadt Bagdad geschaffen. Deren totale Zerstörung durch die Mongolen im Jahr 1258 soll nach Schröters Deutung eine erste Rückbesinnung und Rückwendung zu den Ursprüngen, also eine ideologische Straffung und erste Politisierung zur Folge gehabt haben.

Analog deutet die Islamforscherin Entstehung und Aufstieg der bis heute einflussreichsten Strömung der (1928 in Ägypten gegründeten) Muslimbruderschaft von Hassan al-Banna als Gegenbewegung zum Laizismus Kemal Atatürks in der Türkei. Der Wahabismus oder Salafismus entstand in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Saudi-Arabien und beherrscht bis heute das Land der Heiligsten Stätten. Er fand gezielte weltweite Ausbreitung durch eine mit Milliarden an Petro-Dollars finanzierte Missionierungswelle. Im vordem eher tolerant-demokratischen Indonesien wurde in der Folge dieser Welle der gewählte christliche Bürgermeister der Hauptstadt Djakarta nicht nur abgesetzt, sondern wegen „Blasphemie“ auch zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Drei Ereignisse des Jahres 1979 waren nach Ansicht von Susanne Schröter ausschlaggebend für den Aufstieg des politischen Islam bis zum heutigen Tag, etwa mit den aktuellen Massakern an syrischen Alawiten durch das neue islamistische Regime: Der Moscheesturm und die Besetzung durch radikale Wahabiten in Mekka. Der blutige Aufstand mit über tausend ermordeten Geiseln wurde zwar blutig niedergeschlagen. Die saudische Herrscherfamilie reagierte ideologisch dann aber entgegenkommend.

Dann gab es im selben Jahr den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan, der nach Auffassung der emeritierten Professorin „die Jihad-Internationale“ begründete. Und schließlich hat die Ausrufung von Ajatollah Chomeinis Islamischer Republik, nach der Islamischen Revolution mit der Vertreibung des Schah nicht nur die schiitische, sondern die ganze islamische Welt verändert. Kleine Anmerkung der Islamkritikerin: Sofort setzte der Ajatollah das heiratsfähige Alter von Mädchen auf neun Jahre herab, wie sie nach Mohammeds „absolutem Vorbild“ vorgegeben waren. Ein zweiter Hinweis galt den engen Beziehungen der Nationalsozialisten zu radikalen Muslimen wie dem Großmufti von Jerusalem, al-Husseini, der SS-Mitglied und Hitlers Gast war, während die Waffen-SS vor allem im besetzten Bosnien drei muslimische Divisionen aufstellte. Gemeinsamer Nenner: die Vernichtung der Juden.

Die Badawi-Mahnwachen-Gruppe mit ihrer prominenten Unterstützerin Susanne Schröter (Vierte von links). Foto: Martin Bernklau

Die Islamkritikerin zählte ein paar Beispiele islamistischen, auch staatlichen Terrors auf, als erstes den Fall Badawi, dessen angeordnete 1000 Peitschenhiebe tödlich gewesen wären. Tatbestand: Blasphemie. Auch Strafen wie Steinigung für Ehebrecherinnen, Amputationen von Gliedmaßen für Diebe oder Betrüger, Hängung von Homosexuellen und manches mehr sind in vielen islamischen Ländern gang und gäbe. Die Todesfatwa mit Kopfgeld gegen den Schriftsteller Salman Rushdie und das nur knapp überlebte Attentat vor ein paar Jahren erwähnte sie, oder die Steinigung eines Ehepaares in Pakistan, das zum Christentum übergetreten war.

Auch auf das Pariser „Charlie Hebdo“-Massaker wegen des Nachdrucks der dänischen Mohammed-Karikaturen verwies sie, auf die Terror-Attacken der Al Qaida und des IS, das Mannheimer Attentat gegen den völlig friedfertigen Islamkritiker Michael Stürzenberger, das einen Polizisten das Leben kostete, besagten Bürgermeister in Djakarta und den religiös-genozidalen Rachefeldzug der jetzt herrschenden syrischen Jihadisten gegen Alawiten und Christen.

Die seit den Fünfzigerjahren, später auch durch Anwerbeabkommen mit der Türkei nach Westdeutschland eingewanderten Muslime teilt Susanne Schröter in „Kulturmuslime und stlle Muslime“, in säkulare bis zu atheistischen Muslimen auf. Den politischen Islam repräsentieren für sie die von saudischer Missionierung angeworbenen, großzügig von den Golfstaaten finanzierten Salafisten, Anhänger der Muslimbruderschaft, zu denen der relativ kleine „Zentralrat der Muslime“ zählt, das inzwischen verbotene Islamische Zentrum als Satellit der iranischen Geistlichkeit und Regierung auf deutschem Boden, der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ), ältester (1973) muslimischer Dachverband in Deutschland von ursprünglich sunnitisch-mystischer Prägung, mehrere Gruppen, die den islamofaschistischen „Grauen Wölfen“ zugerechnet werden, sowie – ebenfalls in der Türkei wurzelnd – die als verfassungsfeindlich eingestufte „Milli Görüs“ und vor allem die DITIB, die vom türkischen Staat und von Premier Recep Tayyip Erdogan direkt staatlich gelenkt und finanziert wird. Alle diese Gruppen verbinde auch ein radikaler Antisemitismus und Judenhass, merkte sie nebenbei an.

Die DITIB, so die Islamkritikerin, sei in Deutschland inzwischen „überall eingebunden“ und mit Abstand wichtigster Partner deutscher Behörden – auch am Tübinger Zentrum für Islamische Theologie. Deren Einfluss und Moschee-Propaganda habe dazu geführt, dass „70 Prozent der Türken in Deutschland Erdogans AKP wählen“, sagte Susanne Schröter, ein weit höherer Anteil als in der Türkei selbst. Erdogan, als vermeintlich eher westlicher Demokrat gestartet, habe längst seine Ausrichtung offenbart: Die Demokratie als Zug, auf den man auf dem Weg in einen islamischen Gottesstaat „aufspringen“ müsse, die Moscheen als „Kasernen“ und die Minarette als „Bajonette“ des Islam. Erdogan warne vor jeder Integration, setze auf einen „demografischen Faktor“ und wolle als Endziel nicht weniger als die Islamisierung Deutschlands, wo die Scharia dann über weltlichen Gesetzen steht.

Liberale und aufgeklärte Muslime, beklagte die Kritikerin, seien von all diesen Gruppen mittlerweile völlig marginalisiert und an den Rand gedrängt. Vor allem im Bildungswesen, in der Forschung und der theologischen Ausbildung an den Universitäten seien sie, auch als Exilanten, längst „kaltgestellt“ (was für Staaten wie die USA, Frankreich oder die Niederlande ebenfalls gelte). Liberale Muslimische Gemeinden lebten nicht nur im harten Gegenwind einer radikalen fundamentalistischen Mehrheit, sondern in ständiger Gefahr.

Man müsse, forderte die Forscherin, „endlich die Scheuklappen ablegen“ und die Muslime „ernst nehmen statt sozusagen fürsorglich an die Hand“. Längst gebe es religiöses Mobbing an Schulen, nicht akzeptierte Lehrerinnen und gar Übertritte zum Islam aus Angst oder Anpassung an die Mehrheit in den Klassen. Bei islamistischen Anschlägen herrsche unter all diesen Gruppen regelmäßig „Schweigen statt ein ‚Not in my name!“ (Nicht in meinem Namen!).

Sie halte viel von einer „europäischen Leitkultur“, wie sie der aufgeklärt-säkulare Muslim Bassam Tibi, ein früher bekannter Politologie-Professor, als Widerpart gegen den sich immer offensiver ausbreitenden Islamismus und Jihadismus fordere. Denn „der politische Islam ist Extremismus“, stellte Susanne Schröter unter großem Beifall klar.

Info: Susanne Schröter: „Im Namen des Islam: Wie radikalislamische Gruppen unsere Gesellschaft bedrohen“, Pantheon, 400 Seiten, 25 Euro (Paperback 16 Euro)

Click to comment

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

To Top