Kino

„Horizon“ – Im Westen verloren

Kevin Costners amerikanische Western-Saga „Horizon“ läuft im Reutlinger Cineplex Planie und dem Tübinger Kino Museum an

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Kevin Costner, „Der mit dem Wolf tanzt“, soll mit den Plänen seit 1988 schwanger gegangen sein: eine amerikanische Saga, ein vierteiliges Mammutwerk, sein eigenwilliges, ganz anderes Opus summum des Westerns als Genre. Er hat viel riskiert, vor allem sein Milionenvermögen – und droht zu scheitern. Als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller, geschäftlich, womöglich auch künstlerisch. Aber vielleicht triumphiert er auch.

Er reitet wieder ins Weite – des amerikanischen Westens, der amerikanischen Geschichte und des amerikanischen Traums: Kevin Costner im ersten Teil seiner Saga „Horizon“. Foto: Verleih

Die Handlung ist nicht ganz einfach zu erzählen, allenfalls der historische Rahmen. „Horizon“ spielt in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs um 1861 im Westen der USA an mehreren Orten: an einem Fluss im Apachengebiet von Utah, Colorado oder Arizona, das dem Monument Valley ähnelt; im bergig verschneiten Montana und in den Wäldern von Wyoming. Die Siedler-Trecks sind unterwegs oder schon an den Orten und Zielen ihrer Träume angekommen. Die Indianer haben sich teilweise bereits in die Berge zurückgezogen. Einige Trupps wehren sich gewaltsam gegen die Kolonisatoren. Nebenbei: Grandiose Landschaftsaufnahmen der ganzen Größe und gewaltigen Weite der Landschaft und des Lichts.

Go west! Foto: Verleih

Die Ereignisse lassen sich auch am Ende des Drei-Stunden-Epos noch nicht richtig einordnen in ihren Motiven und ihrer Bedeutung. Es beginnt mit einem besitzergreifenden Claim: In einen von Ameisen wimmelnden Boden wird mit Wucht ein Pfahl eingeschlagen. Dann dürfen die Zuschauer in ruhigen Bildern der Arbeit eines Landvermessers folgen. Irgendwann sieht man tote Pferde und tote Menschen. Am Ufer des Apachen-Flusses stehen drei Holzkreuze.

Eine junge Frau erschießt einen bärtigen Siedler-Patriarchen und flieht. Vielleicht überlebt er auch, wer weiß… Die Brandschatzung des neugegründeten Siedler-Städtchens Horizon und das Massaker am Großteil seiner Menschen durch Indianertrupps bildet den düster furiosen Kern der ersten Stunde. Brutale Bilder, teils in detaillierten, rasend geschnittenen Nahaufnahmen. Banden weißer Siedler machen umgekehrt bestialische Jagd auf Indianer, um ihre Skalps in Dollars zu tauschen. Mit $100 stehen sie im Kurs, für Frauen und Kinder etwas weniger.

Die US-Army findet anderntags Leichen und die rauchende Trümmer von Horizon, dazu ein paar Verstörte. Ein Lieutenant (Sam Worthington) zieht eine schöne Frau (Sienna Miller) und ihre engelhafte Tochter aus einem abgedeckten Erdloch, die das Grauen überlebt haben.

Erst nach einer guten Stunde taucht Kevin Costner himself auf, als reitender Hayes Ellison, der mit irgendwelchen Pferde-Dienstleistungen sein Geld bei den Neusiedlern verdient, diesen Pioneers des „Go West!“. Ein leichtes, aber gescheites und schönes Mädchen namens Maria (Abbea Lee) baggert ihn an. Diese Marigold wiederum hütet nebenbei das Kind einer Frau, die untergetaucht ist und eine brave Ehe zu führen versucht. Man beginnt zu ahnen: Es ist jene junge Frau, die zu Beginn den Patriarchen erschossen hat, der sie mutmaßlich missbraucht hat. Dessen Clan ist ihr nun auf den Fersen und sinnt auf Rache. Für Ellisson und Marigold beginnt eine Liebes- und Fluchtgeschichte.

Zwischendurch zieht ein Teil der US-Kavallerie, die eigentlich den Siedlern irgendeinen Schutz bieten sollte – großenteils vergeblich – auf Seiten der Unionisten in den Bürgerkrieg gegen die Konföderierten des Südens. Bei den Apachen wird – in Originalsprache mit Untertiteln, eine im Ergebnis eher fragwürde Lösung für den Versuch, den Indigenen woke Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – um den richtigen Weg gestritten, das angestammte Land gegen den kolonialen Zugriff zu verteidigen: weise, eher friedfertige Alte, wie der greise Häuptling gegen gewaltbereite Junge wie den Heißsporn Taklishim (Tatanka Means).

Kevin Costners großes Unterfangen erinnert fast fatal an Michael Ciminos Scheitern mit seinem Spätwestern „Heaven’s Gate“ aus dem Jahr 1980, dem die Kosten explodierten und die Kritiker die Zustimmung versagten, und der dazu ein völliger Flop an den Kinokassen wurde. Erst Jahrzehnte später fand das Epos begeisterte Fürsprecher. So wird es auch hier sein, was sich in Amerika schon andeutet: Einer Mehrheit von „Kreuziget ihn!“-Rufen für Kevin Costner werden ein paar enthusiastischen „Hallelujahs“ gegenüberstehen. Öde Langeweile, eine unzumutbare Dramaturgie und hohlen Gigantismus werden die Verrisse bemäkeln. Die Befürworter unter den Kritikern werden ihre enthusiastische Faszination über ein Meisterwerk ausdrücken.

Die Stories, die Handlungsstränge werden im ersten Teil nur andeutungsweise aufgelöst. In einem wahren Trailer-Bildersturm zu einer überbordenden Musik von John Debney – gewaltig, wie alles an diesem cineastischen Monument, aber nicht ansatzweise so gut wie die Klänge eines Hans Zimmer – macht Kevin Costner mit etwas unbeholfenem Aufwand Appetit auf die Fortsetzung. Hoffen wir mal, dass sie kommt….

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