In Upfingen, Sirchingen und in der Festhalle endeten die Herbstlichen Musiktage von Bad Urach mit Jazz, einem Stegreif-Orchester und mit Kammerklängen
BAD URACH. Seit einigen Jahren erweitert Festivalleiter Florian Prey das nach wie vor die menschliche Stimme behandelnde Programm der Herbstlichen Musiktage um neue Spielorte, Klänge und Formate. Als neuer Spielort für ein kleineres Publikum hat sich die evangelische Kirche in Upfingen bewährt, wo die Freunde der HMT (als Trägerverein) ein Konzert mit dem Kammerchor „Vokalkunst Tübingen“ veranstalteten. Das anspruchsvolle Chorprogramm kam gut an, nur die Anfahrt auf die Albhochfläche erwies sich als schwierig, da derzeit mehrere Steigen gesperrt sind und eine weite Umleitung in Kauf genommen werden musste.
Dasselbe galt für Sirchingen. Dort folgte ein Highlight und Heimspiel am Mittwochabend in Form eines Jazzkonzerts im Dorfgemeinschaftshaus: Es musizierte der in Dettingen/Erms aufgewachsene und nunmehr ganz oben auf der Karriereleiter angelangte Jakob Manz auf seinem Saxophon, assistiert von Johanna Summer am Klavier. Sie boten kammermusikalischen, kontrastreichen Jazz; am meisten Applaus bekam Manz für einen virtuosen Höllenritt auf der Blockflöte.

Der Auftritt des Stegreif-Orchesters Berlin am Donnerstagabend in der Bad Uracher Festhalle war ausverkauft und wurde am Ende erneut mit Ovationen gefeiert. Dieses junge, von dem aus Reutlingen stammenden Juri de Marco geleitete Orchester performt ohne Noten, ohne Dirigenten und ohne feste Sitzordnung, sondern löst die Konventionen auf, indem es improvisiert, sich durch den Raum bewegt, Choreografien kreiert, große Werke der Konzertliteratur re-komponiert und in neue Kontexte stellt. In diesem Fall war es die 7. Sinfonie von Anton Bruckner, aus der Themen herausgegriffen und als Impulse für Improvisationsstrecken verwendet wurden; assistiert wurde das Orchester durch eine Jazz-Combo.
Das Publikum saß dieses Mal um das Orchester bzw. einen langen schwarz verkleideten Tisch herum, der in der eineinhalbstündigen Performance als Laufsteg, Bühne und Katafalk fungierte. Die Musik konnte man als Cross-over-Trauermusik verstehen, als Abgesang mit Bruckner auf Wagner, aber darüber hinaus auch als Öffnung hin zu einer stilistisch offenen Musizierpraxis. Zwar blieb von Bruckners Sinfonik wenig übrig, doch die 26 jungen Musiker haben mit ihrer großartigen Leistung den Jubel zu Recht verdient.

Zum Abschluss am Freitagabend trat erneut das Oberon Trio auf die Bühne, ein Klaviertrio, das seit einiger Zeit gemeinsam mit einem bekannten Sänger (früher Christoph Prégardien) Kunstlieder in Triobesetzung aufführt, etwa die von Haydn und Beethoven für einen britischen Auftraggeber arrangierten Volkslieder. Nun stehen neu durch Prof. Matthias Schlothfeldt geschaffene Lied-Arrangements im Vordergrund: Er hat Teile der originalen Klavierbegleitung auf Violine und Cello übertragen und als feines Netz um die Singstimme herum gesponnen.
Wenn man das hört, fragt man sich, warum es nicht öfter praktiziert wird. Denn wenn statt der Hämmerchen-Ästhetik des Klaviers gestrichene Saiten die Stimme umschmeicheln, gewinnt das Ganze an Harmonie, Farbe und Sensibilität. Der Sänger kann sich weich getragen fühlen von Violine und Cello, der Pianist kann entspannt begleiten. Der bekannte englische Tenor Ian Bostridge, der derzeit mit dem Oberon Trio zusammenarbeitet, erwies sich nun in Bad Urach als feinsinniger Interpret, der trotz gewisser stimmlicher Schwankungen die Gedichtvertonungen in ihrer ganzen emotionalen und existenziellen Tiefe auslotete.

Der Kammermusikabend endete mit Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ – als weiterer Abgesang in diesen Musiktagen, aber wie die Schubert-Lieder zuvor so nuancenreich, tief und anrührend vorgetragen, dass das Publikum auch ohne Aussicht auf eine Zugabe mit seinem lang anhaltenden Applaus die Künstler mehrfach auf die Bühne zurückholte.
