Kino

Emilia Pérez – Kitsch in Trans

In Tübingen und in Reutlingen (auch im Kamino) läuft der Film um einen mexikanischen Trans-Drogenboss und seine tapfer treue Anwältin

TÜBINGEN / REUTLINGEN. Man könnte schon Fluchtinstinkte spüren, wenn einem bei einem Film über Drogenkartelle in Mexiko mitten aus einer Düsternis von Mord und Elend gleich parolenhaft ein choreografiertes Hoheslied von Liebe und Treue und Selbstverwirklichung entgegenskandiert wird. Aber „Emilia Pérez“ bietet neben viel Trans-Kitsch und eher wenig mitreißendem Musical-Gedöns auch allerhand Realismus und Spannung in starken Szenen und Bildern. Der Film von Jacques Audiard wurde in Cannes und anderswo – der Zeitgeist halt – gefeiert, ging aber (bis auf den Jurypreis für die Regie) durchweg leer aus.

Die Handlung ist nicht „unkonventionell“, wie sie vielfach schöngeredet wird, sie ist schlicht unglaubhaft – wobei das noch nichts Schlimmes fürs Kino bedeuten muss. Der Drogenboss Manitas del Monte, dargestellt und teils rückmaskiert von der echten Transfrau Karla Sofia Gascón, will nicht nur aussteigen aus dem Krieg ums Kokain, sondern auch seinen uralten Wunsch verwirklichen, als Frau zu leben. Hormone und OP (durch einen Klischeejuden, wie er stereotyp-rassistischer kaum ausfallen könnte) , den Tod vortäuschen, ein bisschen von den „Tonnen an Geld“ retten, Frau und Kinder wohlumsorgt in die Schweiz schicken, so ist der Plan. Die brillante Anwältin Rita (Zoë Saldaña) soll dabei helfen und selber steinreich werden. Sie wird dazu am Kiosk gekidnappt: „To listen is to accept“.

Teile der Filmkritik feierten Karla Sofia Gascón, weil erstmals im großen internationalen Kino eine Transfrau eine Transfrau spielt. Aber ihre Leistung rechtfertig das Lob überhaupt nicht: Hölzern und ungelenk mimt sie – wenig glaubhaft – große Gefühle und tiefe Betroffenheit und stapft dazu mit ihrem strammen Männerbody machohaft durch die Szene. Wirklich ganz groß hingegen spielt Zoë Saldaña die eigentliche Hauptrolle, facettenreich und ausdrucksstark. Auch Selena Gomez gewinnt ihrer klischeehaft angelegten Figur als Ehefrau Jessi noch erstaunlich viel ab.

Die Transfrau macht sich mit ihrem Geld sehr edelmütig bis gnadenlos rührselig in einer NGO für Mütter von Verschwundenen des mexikanischen Drogenkriegs nützlich, der gut hunderttausend Menschen das Leben gekostet hat. Irgendwann holt sie Frau und Kinder zurück und gibt sich besitzergreifend als deren Tante aus. Eins der Kids merkt allerdings, dass sie riecht wie der vermeintlich tote Daddy. Als aber die Witwe sich verliebt, heiraten will und mit ihren Kindern türmt, erweist sich die dominante Tante als der alte Drogenboss-Macho, lässt Jessis Gustavo zusammenschlagen und hetzt ihr mit der durchgängig missbrauchten Vermittlerin Rita ein Killerkommando auf den Hals. Jessis Rache soll furchtbar sein….

Selena Gomez als schöne „Witwe“ Jessi. Noch schöner ist allerdings Zoë Saldaña als Anwältin Rita (im Titelbild rechts).
Fotos: Verleih

Auch die zugespitzten Thriller-Elemente zum Showdown hin sind etwas an Manitas‘ langen blonden Haaren herbeigezogen. Der Film, eine französische Produktion, ist weit schlechter als sein Ruf, auch seine Musik, wird aber im woken und queeren Teil von Tübingen und Reutlingen gewiss viele dankbare Zuschauer finden: Trans goes to Hollywood. FSK ab 12

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