Kino

Bachmann – der Film

Margarethe von Trottas „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ im Tübinger Arsenal und im Reutlinger Kamino

Das darf ein Film: Ingeborg Bachmann sah völlig anders aus als die großartig verdichtende Vicky Krieps, die ein knabenhaft hübscher, zierlicher Typus ist. Die eher herben, harten Züge im Gesicht der Dichterin zeigten früh die Spuren eines toxischen Lebens: von Wein, Whiskey, Zigaretten und Tabletten, aber eben auch von einem seelenzehrenden Liebesleben.

Margarethe von Trotta, Jahrgang 1942, hat sich auch sonst die vielen Freiheiten genommen, die eigentlich alle ihre von der Geschichte inspirierten Frauenfilme und Frauenfiguren auszeichnet: Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg, Hannah Arendt. Der Film ist ja kein Doku-Drama und hat nicht die Aufgabe, den Stand der germanistischen Forschung widerzuspiegeln.

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ erzählt die Geschichte ihrer wohl wichtigsten Lebensliebe unter vielen Liebschaften (darunter Enzensberger, Paul Celan und Henry Kissinger). Sonst nichts, außer der zweiten Zeitebene: Die tiefen Wunden aus dem schmerzenden Ende der Liebesgeschichte zwischen zwei berühmten Literaten, dem Schweizer Romancier und Dramatiker Max Frisch und der Lyrikerin und Prosa-Schriftstellerin versucht Ingeborg Bachmann mithilfe eines jungen, einfühlsamen, netten Wiener Kollegen zu heilen, den sie auf eine Reise nach Ägypten begleitet, in die Wüste.

Alles andere hat die Regisseurin weggelassen, obwohl es so viel dramatischen Stoff geboten hätte, vor allem das furchtbare Ende der damals 47-jährigen in Rom, ihrer über alles geliebten Stadt. Ingeborg Bachmann, vollgepumpt mit Barbituraten, Valium und Alkohol, war mit einer Zigarette eingeschlafen und hatte Feuer gefangen, starb aber wohl nicht an den Brandwunden, sondern nach quälenden Klinikwochen am Entzug. Die grauenvolle Sucht-Tragödie wird wie so Vieles nur ganz dezent angedeutet, etwa, als beim Feuergeben eine brennende Kerze in ihren Schoß fällt.

Trottas Ingeborg Bachmann schnappt sich diesen hübschen Bewunderer und Helfer namens Adolf Opel, in edlem Understatement von Tobias Resch dargestellt, mit unverblümter Direktheit. Man schläft miteinander, ist aber noch per Sie. Erst nach dem von ihr gewünschten Vierer mit zwei jungen und schönen Arabern in der Wüste kommt das Du. Gegen die sexuelle Libertinage aus den frühen Sechzigern herrscht heute ein Neo-Spießertum. Für die Dichterin ist es die Rache an den besitzergreifenden Spießern – samt Max Frisch. Das verkündet sie jubelnd unter der Wüstensonne, wo sie sich von ihrem fürsorglichen Liebhaber auch in den Sand eingraben lässt, um den Tod zu fühlen.

Ronald Zehrfeld spielt einen Max Frisch, der von Schöpfer-Egoismus, Wohlleben, Wohlstand, straffer Körperfülle und patriarchalem Selbstbewusstsein strotzt, sehr präsent. Er überzeichnet aber nicht. Ja, er kommt schlecht weg in diesem Setting, der Großdichter. Er wird aber keinesfalls zum alleinigen Sündenbock gemacht und denunziert (eine Heimkunft im hilflosen Vollsuff darf als denkbar gelten). Margarethe von Trotta bezieht einfach Position und Perspektive der Frau, ihrer Figur, und zwar ohne sie in diesem auch schriftstellerischen Gegensatzpaar zum Unschuldslamm, zum Opfer zu machen.

Der Film ist in ruhigen, zum Teil wunderschönen Bildern gefilmt, was man altbacken oder bieder nennen könnte. Es lässt sich aber auch als Verzicht auf Mätzchen und Konzentration auf das Wesentliche beschreiben. In Ruhe bewegt. Der schwule Komponist Hanns Werner Henze, enger, fürsorglicher und co-produktiver Freund der Bachmann in Rom, muss nicht tuntig aufgestylt werden, im Gegenteil. Viele italienische Dialoge bleiben unübersetzt und ohne Untertitel. Leerstellen. Dafür fängt die Kamera viel Atmosphäre aus Rom, Zürich oder der Kasbah eines verwunschenen Wüstenstädtchens ein. Die Ausstattung hat auch viel Sorgfalt auf ein authentisches Ambiente der frühen Sechzigerjahre verwendet.

Insofern ist der Film nicht nur die freie und eindringliche Erzählung einer großen, tragischen Künstlerliebe, sondern auch ein filmisches Zeitbild. Unvorstellbar, die Raucherei damals, die Literaturkongress-Säle, wo man im schwarz-weiß uniformierten Publikum kaum eine Frau entdecken konnte, die vollständig männlich dominierte Kultur-Schickeria.

Ein Frauenfilm. Unbedingt anschauen!

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