Die Tonne bringt als Sommertheater Umberto Ecos Klosterkrimi „Der Name der Rose“ auf die Freilichtbühne im Reutlinger Spitalhof
REUTLINGEN. Während drüben in Tübingen das LTT mit Glitter und Glamour auf die Schlagerpauke haut, besinnt sich die Reutlinger Tonne ganz auf den Kern der Theaterkunst und bringt als ihr Sommertheater die konzentriert bescheidene Bühnenfassung eines literarischen Welterfolgs unter den freien Himmel des Spitalhofs: „Der Name der Rose“, Umberto Ecos Klosterkrimi. Am Donnerstagabend war die umjubelte, aber nicht restlos ausverkaufte Premiere.

Die Konflikte des finstersten Mittelalters, die düsteren Mauern einer bedeutenden Benediktinerabtei in den ligurischen Bergen, eine Mordserie im Konvent der frommen Mönche – so wollte es der antike Philosoph und Theoretiker Aristoteles haben: als Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Dem verschollenen zweiten Buch seiner Poetik wächst im Roman eine Hauptrolle zu. Und einem aufklärerischen Helden samt jungem Helfer im Stil des britischen Detektivs Sherlock Holmes.
Sean Connery hat diesem William von Baskerville mit seiner virilen Präsenz filmische Gestalt für die Ewigkeit gegeben. Auch an ihm musste sich Hauptdarsteller David Liske orientieren und tat das großartig. An seiner Seite: Constantin Gerhards als frisch-frecher Adlatus Adson von Melk. Karin Epplers makellos schlichte und präzise Inszenierung besetzte den Abt mit Chrysi Toussanis, den düsteren Bibliothekar Jorge mit Rupert Hausner und den Klosterapotheker Severinus mit Santiago Österle im Rollstuhl.

Neben einer Reihe von weiteren inklusiven Schauspielern traten Andreas Laufer und Magnus Pflüger in wichtigen wechselnden Nebenrollen hervor. Sibylle Schulze hatte ein Bühnenbild bauen lassen, das sich wunderbar vor die gotische Spitalfassade schmiegt. Bis auf den prunkvollen Kardinal (Roswitha John) in Gold und Purpur gab es nur Kutten und Hemden: schwarz für die eher bösen Benediktiner, Braun für die eher guten Franziskaner, unschuldiges Weiß für die Armut des namenlosen Bauernmädchens und seiner Gefährten.
Klar, da geht viel verloren auf dem langen Weg von einem Wälzer mit mindestens 600 Seiten zu einer Bühnenfassung von zwei Stunden, zumal Eco, Professor der Semiotik, der Zeichenlehre, nicht nur einen Thriller, sondern ein von Anspielungen und bildungsreichen Exkursen strotzendes Epochenporträt geschrieben hat, das als postmoderne Collage nach dem Erscheinen im Jahr 1980 weltweit für Furore und Leserbegeisterung sorgte. Aber Claus J. Frankl als Bearbeiter für die Bühne und dem Tonne-Dramaturgen Michael op den Platz ist ein Destillat gelungen, das nicht nur die spannende Story, sondern auch mittelalterliche Klosteratmosphäre sehr dicht herüberbringt.
Dass zudem der 1986 in die Kinos gekommene Film die Literatur (ähnlich wie bei der „Blechtrommel“) und die optische Vorstellung des Publikums überlagert, kommt hinzu. Sean Connery war schon die passende Verkörperung dieses seltsam gezeichneten Zwitters aus scharfsinnnigem Detektiv und mönchischer Lichtgestalt mit Zügen eines Missionars der Aufklärung. David Liske macht aus der Not eine Tugend und gibt diesen mittelalterlichen Gentleman in Noblesse und gewählter Sprachdiktion mit dieser etwas belehrend kanonischen Autorität.

Auch der Abt von Chrysi Toussanis hat eine authentische Würde. Der Figur des finsteren Bibliothekars Jorge de Burgos (im Roman auf den blinden Dichter Jorge Louis Borges anspielend) verleiht Rupert Hausner die düster-gespenstische Aura des Fanatikers, eines apokalyptischen Reiters im Hintergrund. Die schaurige Handlung treiben nicht nur Magnus Pflüger und Andreas Laufer mit dramatischen Auftritten auf spannende Spitzen. Constantin Gerhards`frischer Adson bringt sogar jenen Humor hinein, von dem das fiktive Komödienbuch des Aristoteles handelt.

Die Verführungsszene ist gegenüber Buch und Film ausgesprochen züchtig geraten. Die finale Feuersbrunst entfaltet auch mit den sparsamen Mitteln dieser Inszenierung ihre dramatische Wucht und Wirkung in ausreichender Weise. Nichts spricht dagegen, dass der komplex konstruierte Plot sich in seiner gerafften Form auch Zuschauern ohne Vorkenntnisse erschließt. Das Premieren-Publikum – ein paar wenige Plätze in den hinteren Reihen waren leer geblieben – steigerte seinen kräftigen Applaus bei vier, fünf Vorhängen in johlenden Jubel und entbot der famosen Truppe schließlich stehende Ovationen.

Titelfoto: Beate Armbruster/Tonne
