Die Tübinger Studentenphilharmonie spielte im Festsaal Bläserkonzerte, die Dritte von Brahms und eine Uraufführung
TÜBINGEN. Ein paar Tage nach dem Akademischen Orchester gab am Donnerstagabend auch die Studentenphilharmonie, zweiter großer Klangkörper der Universität, ihr Sommerkonzert in einem eher locker besetzten Festsaal der Universität. Nicht nur Chefdirigent Symeon Ioannidis dirigierte die „StudPhil“, sondern auch Konstantinos Angelidis, dessen sinfonische Dichtung für dieses Sommersemester den Kompositionspreis des Orchesters bekam und ihre Uraufführung fand.

Die Tondichtung „Der Gott verlässt Antonius“ ist von dem Prosagedicht des Nationaldichters Konstantinos Kavafis inspiriert, der 1933 in der griechischen Diaspora von Alexandria starb. Nicht nur die fünf oder sechs wiederholten Klaviertöne geben dem episodischen Stück einen ganz eigenen Charakter, sondern auch eine jagdhafte Bläserfanfare, einprägsam wiederholte kurze Floskeln, schöne Kantilenen etwa des Cellos und die wiederkehrenden Generalpausen. Das klang, spannend musiziert, mal geheimnisvoll, mal pathetisch mit einer freien, manchmal wagnerhaften Harmonik.

Es ist nicht ganz sicher, ob das von Emanuel Blumint-Sint so elegant, sanglich und virtuos geblasene Fagottkonzert wirklich vom späten Rossini stammt. Aber es bereichert die rare Literatur des Genres ganz sicher, und der Stil stimmt: Skalen, Repetitionen, Melodik und dieser unwiderstehliche Schwung in hinreißenden Crescendi. Für die feinen Phrasierungen des 2002 in Madrid geborenen, vielfach ausgezeichneten und schon weltweit gefragten Nachwuchssolisten waren ausnahmsweise die vorderen Plätze die besten. In der verwischenden Akustik des weiten, eben nicht überfüllten Saales, hätte der Klang markantere Impulse vertragen können.

Auch der früh mit Bundespreisen geehrte Posaunist Elias Möll, Jahrgang 2008, bevorzugte ein weiches Klangbild – nicht an Jericho, sondern eher an himmlischen Seraphim ausgerichtet. Auch in dem originellen und effektvollen Concertino von Ferdinand David (1810 bis 1873) arbeitete das aufmerksame, gut vorbereitete Orchester seinem Solisten schön zu. Nicht nur in der tollen Kopfsatz-Kadenz von Christian Lindberg entfaltete Elias Möll alle Möglichkeiten seines Instruments: weichen bis mächtig choralhaften Klang in einem großen Tonumfang und eine unglaubliche Geläufigkeit, die mehr aus kraftvollen Lippen und dem Zwerchfell kam als aus einer lockeren Führhand.
Mit dem von thrakisch-rumelischer Volksmusik bartokhaft geprägten „Troiro“, einem immer wieder beschleunigten Rundtanz des jungen griechischen Gitarren-Professors und Komponisten Dimitris S. Svintridis, endete der erste Konzertteil erneut unter ganz großem Applaus. Mit dem balkanisch-hellenischen Element, seltenen Werken und Gattungen und mit seinem Blick auf instrumentalen und kompositorischen Nachwuchs bereichert Symeon Ioannidis das Repertoire und die Tübinger Orchesterlandschaft ungemein.
Eine große Sinfonie des klassischen Programm-Inventars rundete dann nach der Pause das schöne Gesamtbild eines ganz eigenen, neuen und besonderen Tons ganz traditionell ab: die Nr. 3 in F-Dur opus 90 von Johannes Brahms. Manchen gilt die 1883 uraufgeführte Sinfonie – des stolz-majestätischen Beginns und überhaupt der Ecksätze wegen – als „heroisch“, manchen als – „poetisch“, wie Clara Schumann, die strahlenden Sonnenaufgang und ganze lyrische Waldszenen in ihr gemalt sah. Unstreitig ist das Thema des dritten Satzes eine der schönsten Eingebungen von Johannes Brahms.
Für den komplexen Kopfsatz hätte man sich, bei aller doch soliden und sauberen Darbietung, vielleicht etwas mehr Transparenz und Klarheit wünschen können. Das empfindliche Andante hatte vor allem in den ganz leisen Passagen besonders schöne Stellen. Dieses „Poco Allegretto“, den eigentlichen langsamen Satz mit all seiner sehnsuchtsvollen Melancholie in c-Moll, feierte das Orchester mit der gebührenden zärtlichen Emphase in allen Gruppen, durch die diese Melodie getragen wurde – und hin und wieder mit etwas abwartend innehaltendem Suspense.
Das wühlend Bewegte des Finales, dem auch die Punktierungen Schwung, Kontur und Struktur geben, setzte die StudPhil ganz eindrucksvoll um mit all seinen thematischen Bezügen – bis zu dem ungewöhnlich leisen Schluss, nach dem ganz großer und langer Beifall aufbrandete.

