Die Herbstlichen Musiktage Bad Urach haben begonnen – ein Zwischenbericht
BAD URACH. Derzeit finden in Bad Urach die alljährlichen Herbstlichen Musiktage statt, diesmal unter dem Motto „Hoffnungsschimmer“. Die Devise wird nicht explizit umgesetzt, man kann sich, wenn man mag, jeweils seinen eigenen Reim darauf machen; beispielsweise mit Blick auf das Heranziehen von Nachwuchs-Hoffnungen. Es gehört zu Florian Preys erfolgreichen Maßnahmen als Festivalleiter, dass er junge Ensembles mit neuen Formaten und Nachwuchskünstler aus der Region engagiert, dieses Jahr beispielsweise den erfolgreichen Jazzer Jakob Manz, der aus Dettingen/Erms stammt und gemeinsam mit Johanna Summer am 8. Oktober im Dorfgemeinschaftshaus Sirchingen auftritt, sowie die Sopranistin Paula Jeckstadt aus Bad Urach. Des weiteren wird das Stegreif-Orchester Berlin erneut gastieren und diesmal Bruckners 7. Sinfonie in Bewegung versetzen.

Im Mittelpunkt des Eröffnungsabends stand früher oft ein zum Nachdenken anregender Festvortrag. Nachdem im Vorjahr die am Rednerpult der Festhalle vorgetragenen Aufrufe zum Kampf gegen Umweltsünder nicht überall auf Gegenliebe gestoßen waren, verzichtete man heuer – am 3. Oktober – auf den Festvortrag und setzte auf ein unterhaltsames Musikprogramm.
Aus wieviel Sängern besteht ein Männergesangverein? konnte man sich da fragen, denn der „Männergesangsverein Walhalla zum Seidlwirt“ trat nur zu viert, als Männerquartett, auf die Bühne. Entsprechend dünn war das Klangbild der vorgetragenen Chorstücke (zumal ein fünfter Mann ausgefallen war), doch die vier internationalen Sänger machten das durch ihre lockeren humoristischen Einlagen wett. Auch die Kostümierung versprühte Faschingslaune.
Das vorgetragene Programm war bunt gemischt aus Schlager, Song und Volkstümlichem; zwei Originalkompositionen von Mendelssohn („Der Jäger Abschied“) und Schubert („Nachtgesang im Walde“) zierten die heitere Stückfolge.
Einen ernsteren Tonfall und bläserische Klangkunst brachte das Wiener Horn-Ensemble ins Spiel. Die vier Musiker begleiteten auf ihren original Wiener Hörnern fein abgestimmt das Männerquartett und führten mit ihrem technisch perfekten, weich abgetönten Klang in romantische Weiten und seelische Tiefen.

Der zweite Abend der HMT 2025 nannte sich „Kleines Kirchenkonzert“ und fand – zum ersten Mal – im akustisch durchaus geeigneten Chorraum der Stiftskirche St. Amandus statt. Kirchlich war nur das Eröffnungsstück, Rheinbergers „Abendlied“; ansonsten kamen hauptsächlich Arrangements weltlicher Stücke für Cello-Ensemble zur Aufführung. Hauptakteure waren die 8 Celli des Kölner Klassik Ensembles unter Leitung von Lena Kravets; sie überzeugten durch waches Zusammenspiel und leidenschaftliche, spannungsreiche Gestaltung. Einer neu komponierten „demokratischen Suite“ von Tobias Kassung folgten romantische Stücke von Rachmaninoff und (nach der Pause) die Bachiana Brasileira No. 5, die „Aria“ von Heitor Villa-Lobos sowie die „Cuatro Estaciones Porteñas“ von Astor Piazzolla.
Einige im Publikum waren wegen der „hiesigen“ jungen Sängerin gekommen: Paula Jeckstadt trug mit ihrer schön phrasierten Sopranstimme über samtigen Cello-Harmonien Rheinbergers „Abendlied“, „Hier ist es schön“ und die Vokalise op. 44 von Rachmaninoff sowie Villa-Lobos‘ „Aria“ vor und erntete lebhaften Beifall. Paula Jeckstadt

Auf Sonntagvormittag war die diesjährige Liedermatinee mit Florian Prey und dem Pianisten Florian Uhlig terminiert. Nur ein kleines Auditorium fand sich im Kammermusiksaal unterm Dach der Schlossmühle ein; manche lassen sich zwar gern von Florian Preys Stimme an dessen Vater erinnern, können aber wenig mit zeitgenössischer Musik anfangen.
Seit einigen Jahren komponiert Florian Prey selbst, nämlich Lieder in einem freien neo-romantischen Stil und dicht entlang an unterschiedlichsten Textvorlagen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Seine neuesten Gedichtvertonungen, darunter ein mittels Klavierstimme verknüpfter „Mystical Song Cycle“, sprengten im zweiten Teil der Matinee den zeitlichen Rahmen.
Vor der Pause kam ein „traditionelles Liedprogramm mit Werken von Brahms, Cornelius und Hugo Wolf zu Gehör. Als Gast führte Prey diesmal die junge Sopranistin Katharina von Hassel ein, mit der er sich im Liedvortrag abwechselte und darüber hinaus zu zwei Duetten von Cornelius zusammenfand. Konnte man zu Beginn noch zweifeln, ob die leichte Stimme der Sängerin sich für die tiefgründige Romantik eignete, belehrte sie einen im Verlauf der Matinee eines Besseren – sie zeigte sich sowohl den „alten“ Romantikern als auch den Neukompositionen von Florian Prey gewachsen.
Am Sonntagabend folgte als zweites Kirchenkonzert in der Stiftskirche St. Amandus (diesmal wieder im Schiff) eine Aufführung von Joseph Haydns „Missa in angustiis“ (Nelson-Messe, Hob XXII:11) und von Wolfgang Amadeus Mozarts legendärem Requiem.
Das Programm und der Auftritt des österreichischen, solistisch besetzten Ensembles „BachWerkVokal“ unter Leitung von Gordon Safari, das schon 2022 hier für Aufsehen gesorgt hatte, lockte viel Publikum in die Kirche, das dann auch nicht enttäuscht wurde. Interessant war zu beobachten, wie die solistisch geprägte Haydn-Messe durch die explizite Anwendung der barocken Textausdeutung sehr an Ausdruck und Kraft gewann.

Beim Mozart-Requiem funktioniert dies jedoch weniger; sie besteht großteils aus chorischen Passagen, des weiteren leidet das Werk grundsätzlich ab dem „Lacrimosa“ unter der (nur selten eingestandenen) kompositorischen Schwäche des Mozart-Schülers Süßmayr, der nach dem Ableben seines Lehrers und vergeblichen Anläufen anderer Musiker das angefangene Requiem für einen anonymen Auftraggeber fertigstellen musste.
Ein kleines Manko war zu bedauern: Vermutlich um den 12-köpfigen Solistenchor akustisch zu stützen, wurde das „historische“ Instrumentalensemble hinter die Sänger und zu einer undankbaren Nebenrolle verdammt.
Ab Montagabend folgen ein „Konzert der Freunde“ in der evangelischen Kirche zu Upfingen, das beliebte musikalische Abendessen in der Künkelemühle, ein Kinder- und Familienkonzert sowie das Jazzkonzert von Jakob Manz und Johanna Summer. Über den Auftritt des Stegreif-Orchesters und den Kammermusikabend mit dem bekannten Tenor Ian Bostridge und dem Oberon-Trio wird an dieser Stelle am 11. Oktober berichtet.
