Musik

Akademischer Chor – Aus dem Hut gezaubert

Nach dem Ausfall der Gastmusiker aus dem kongolesischen Kinshasa retteten Philipp Amelungs Ensembles und der Cello-Solist Victor David Dan ein komplett umgestelltes Programm furios.

TÜBINGEN. Am Samstagabend lud der Akademische Chor der Universität Tübingen unter der Leitung von UMD Philipp Amelung zum Adventskonzert in den Festsaal der Neuen Aula. Vor das große Publikum traten neben dem Chor Michael David Dan (Klavier), Benedikt Victor David Dan (Cello) und die Camerata vocalis der Universität.

Michael David Dan begleitete auch die Camerata vocalis am Flügel. Foto: Susanne Eckstein

Derlei kommt zum Glück nur äußerst selten vor, aber an diesem Samstag hat das Unheil UMD Philipp Amelung ereilt: Als Konzertveranstalter musste er das für den Abend vorgesehene Programm komplett ändern, weil der erste Teil mit den Gästen aus Afrika ausfiel. Die Musiker vom Kinshasa Symphony Orchestra waren an der deutschen Grenze festgehalten worden und schafften es nicht mehr rechtzeitig nach Tübingen.

Aus diesem Grund lagen nun zwei verschiedene Programmhefte aus: Das ursprünglich geplante mit den Beiträgen aus Kinshasa und einer Werkeinführung in Antonio Salieris „Hofkapellmeistermesse“ sowie ein neues mit einer geänderten Werkfolge, einem Grußwort des kongolesischen Dirigent Sylvain Palangi und Liednoten zum Mitsingen.

Philipp Amelung und der Akademische Chor im Festsaal der Universität. Foto: Susanne Eckstein

Philipp Amelung hat tatsächlich eine stimmige neue Abfolge aus dem Hut gezaubert. Sie bestand aus zwei Chormusik-Blöcken, einer kammermusikalischen Einlage und der Salieri-Messe am Ende, gegliedert durch gemeinsam gesungene Adventslieder. Auf den ersten Blick ein traditionelles Adventskonzert, auf den zweiten mit einem ungewöhnlichen Detail: Die Chorvorträge wurden musikalisch verbunden durch Michael David Dan am Flügel, der seine einfühlsame Klavierbegleitung als Überleitung weiterspann – wunderbar improvisiert, klangschön und den jeweiligen Stücken angepasst. Sie öffnete das Ohr und unterband das gewohnheitsmäßige Applaudieren.

Der erste Abschnitt war Felix Mendelssohn Bartholdy gewidmet. Mit „Im Advent“ und „Weihnachten“ aus den 6 „geistlichen Sprüchen“ op. 79 sowie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ aus dem Oratorium „Paulus“ führte der Akademische Chor den Sinn gen Weihnacht. Auch wenn die etwa 90-köpfige Besetzung derzeit ungleich auf die Register verteilt ist (das Übergewicht haben die Altstimmen, während die Tenöre Verstärkung brauchen könnten), erstrahlten die bestens geschulten jungen Stimmen in einem bemerkenswert homogenen Gesamtklang und schufen, breit aufgestellt, eine großartige Raumwirkung.

Im zweiten Abschnitt stellte die Camerata Vocalis weihnachtliche Chorsätze von Saint-Saëns, Redner, Kirkpatrick und Holst vor, teils a cappella, teils begleitet und ebenfalls durch Klavier-Improvisationen verbunden, scheinbar mühelos und selbstständig interpretiert als hoffnungsfrohe, lupenrein intonierte Vokalkunst vom Feinsten.

Ein glanzvoller Einspringer: Der Tübinger Cellist Victor David Dan mit seinem Vater Michael David Dan am Flügel als Begleiter. Foto Susanne Eckstein

Die spontan eingefügte Kammermusik-Einlage kam von dem jungen Cellisten Benedikt Victor David Dan in Form der Variationen 1–3 und 7 aus Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“, souverän und auswendig gestaltet, begleitet von seinem Vater am Klavier. Beide überzeugen durch eine sensible, klangbewusste Musikalität, und dass der junge Tübinger Solist schon vielfach ausgezeichnet und nun vom Publikum lebhaft bejubelt wurde, hat er in jeder Hinsicht verdient.

Das Hauptstück des Programms war die Messe Nr. 1, die „Hofkapellmeistermesse“ von Antonio Salieri. Wer diese Messe hört, die er 1788 nach seinem Amtsantritt als kaiserlicher Hofkapellmeister in Wien komponiert hat, weiß, dass er kein Giftmörder gewesen sein kann – die angebliche Intrige gegen Mozart war nur ein Gerücht. Traditionell in Tonsprache und Textausdeutung, gewinnt seine Musik das Ohr durch gefällige Wendungen und originelle, kantable Stimmführung.

Der Akademische Chor gestaltete sie in natürlicher, kontrastreicher Ausdruckskraft, inspiriert durch das klare Dirigat von Philipp Amelung. Abgesehen von den heiklen Figurationen in der „Amen“-Fuge gelang eine unmittelbar einleuchtende, tadellose Salieri-Rehabilitation in heller Strahlkraft und klaren Farben, beschlossen von der intensiv gesteigerten Friedensbitte „Dona nobis pacem“. Als Dreingabe und versöhnlichen Abschluss schenkte der Chor dem jubelnden Publikum das „Ave verum“ von Mozart.

Click to comment

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

To Top