Das Klavierduo GrauSchumacher trat beim 3. Sinfoniekonzert mit den Württembergischen Philharmonikern unter David Reiland in der Reutlinger Stadthalle auf
REUTLINGEN. Ausverkauft bis auf den letzten Platz war der große Saal der Reutlinger Stadthalle bei diesem Sinfoniekonzert am Montagabend. Dazu beigetragen hat wohl der Auftritt des „hiesigen“, weltweit renommierten Klavierduos Andreas Grau/Götz Schumacher, das sich seit einiger Zeit – sprachlich global kompatibel – „GrauSchumacher Piano Duo“ nennt; ein „Heimspiel“ sozusagen, platziert in die Mitte des 3. Sinfoniekonzerts der WPR. Als Gastdirigent trat David Reiland ans Pult, geboren in Belgien, ausgebildet dort sowie in Paris und Salzburg; seine Vita zeigt ihn als vielfach ausgezeichneten und vielseitig engagierten Orchesterleiter.
Man staunt, wie die Philharmonie immer wieder Neues präsentiert, Raritäten aus dem Notenfundus ebenso wie Neukomponiertes und Neu-Arrangiertes. Zur ersten Kategorie gehört das nun als Ouvertüre aufgelegte, geradezu weihevolle Vorspiel: Der litauische Maler-Tondichter Mikalojus Čiurlionis hat mit „Miške“ (Im Wald) um 1900 eine geradezu spirituell-meditative sinfonische Dichtung geschaffen.
Streicher und Solo-Holzbläser heben zu sanft nuanciertem Klangzauber an, pianissimo und lento assai lassen Dirigent und Orchester das Stimmungsbild leuchten und wogen. Achtzehn Minuten lang verströmen sie mit unendlichem Atem große Ruhe; ausdrucksvolle Solo-Kantilenen und eine Verdichtung im zweiten Teil beleben das ansonsten eher kontrastarme Stück, das – eine Seltenheit in der Spätromantik – in der schlichten, reinen Grundtonart C-Dur beginnt und endet.
Den größtmöglichen Gegensatz dazu bildet das folgende „Concerto pathétique“ nach Liszt für zwei Klaviere und Orchester, ein Arrangement des Komponisten Stefan Heucke. Er hat das ursprünglich nur für zwei Klaviere geschriebene „Concerto pathétique“ von Franz Liszt mit einem eigenen Orchestersatz und einer fünfminütigen Solokadenz versehen und dem Duo GrauSchumacher gewidmet, das dieses Werk 2009 in Stuttgart uraufgeführt hat.
Zwar ist der Notentext des Liszt’schen Klavierparts tatsächlich unverändert und wird teilweise ins Orchester übernommen, durch die Einbettung in Stefan Heuckes „modernen“ Orchesterklang jedoch oftmals verfremdet bis unkenntlich gemacht. Da schrillen Piccoloflöte und Xylophon auf ein Motivpartikel, und große Trommel, Pauken und tiefes Blech donnern bisweilen so übermächtig, dass der Klavierklang tief im Orchester versinkt. Man sieht zwar, dass die vier Pianistenhände auf den zwei Steinways hochvirtuos zugange sind – aber man hört sie nur, solange Blechbläser und Schlagwerk zu schweigen haben und etwa nur die Violinen leise tremolieren.
Hören sich die Duopartner eigentlich selbst? Wie können sie unter diesen Umständen überhaupt korrekt zusammenspielen? Einfach ist dieses wilde „Concerto“ nicht, eine Frau weiter vorn verlässt den Saal. Um es sinnfälliger zu gestalten, hätte zuvor an Detail und Klangbalance gearbeitet werden müssen, was aber vermutlich aufgrund von Zeitdruck und Gastdirigat zu kurz kam. Dennoch honoriert das Publikum die Darbietung mit viel Applaus, und Stefan Heucke kommt auf die Bühne.
Als Solo-Dreingabe schenken GrauSchumacher dem Publikum die 7. Variation (Grazioso) aus den „Haydn-Variationen“ von Johannes Brahms – unverändert im Original und als Wunderwerk subtiler, vierhändiger Pianistenkunst.
Ein bekanntes Repertoirewerk bildet den zweiten Teil des Programms: Robert Schumanns https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Schumann Sinfonie Nr. 1 in B-Dur, die „Frühlingssinfonie“, wie der Komponist sie selbst nannte. Dabei entstand sie im Januar(!) 1841 im „Frühlingsdrang“ und feiert einen Neubeginn in ungebrochener Schöpferfreude. Auch die Darbietung durch das Orchester der WPR unter David Reilands temperamentvollem Dirigat setzt auf spontanen, gefühlvollen Zugriff; anders als sonst geht es nicht um das Ausarbeiten von Details, um Klang oder Tiefendimension, sondern um pure Spielfreude. Dass das dem Publikum nicht ganz reicht, merkt man daran, dass der sonst oft fällige Jubel am Ende ausbleibt. Anerkennender Applaus beschließt das Konzert.
