Website-Icon Cul Tu Re

Konzert – Pop Goes Classic

Eine kleine Camerata Bohemica Prag gibt im Festsaal der Tübinger Neuen Aula “The Best of Morricone & Piazzolla”

TÜBINGEN. Pop Goes Classic – ein gängiges Konzertformat, in dem Popmusik-Titel in „klassischem“ Gewand wiedergegeben werden, und das auf breitere Publikumskreise zielt. Die Anziehungskraft hängt von der Prominenz der Namen ab; Die Camerata Bohemica Prag lockte am Dienstagabend kein großes Publikum, einige Stuhlreihen im Festsaal der Neuen Aula waren nur halb besetzt. Doch der Titel „The Best of Morricone & Piazzolla“ hat gewirkt: „Das kennen wir ja alle“, sagt jemand im Foyer.

Dass ein Sinfonieorchester mit Streichern, Bläsern und Schlagwerk (fast) allem Populären gewachsen ist, was in Noten gedruckt ist, liegt auf der Hand. Aber wie soll ein Kammerensemble wie die Camerata Bohemica Prag Tango Nuevo und Filmmusik angemessen umsetzen? Auf die Bühne tritt ein fünfzehnköpfiges Streicher-Kammerorchester, besetzt ausschließlich mit Violinen, Bratschen, zwei Celli und einem Kontrabass. Zunächst ist der südafrikanische Saxophonist Karén Devroop mit dabei, er beteiligt sich im ersten Teil als Solist am Es-Saxophon.

Solist Karén Devroop mit den Primgeigen der Camerata.. Foto: Susanne Eckstein

Eigentlich glaubt man die Musik von Astor Piazzolla (1921 bis 1992) zu kennen als dunkel getönt, kantig und herb, vorangetrieben durch strikten Tangotakt. Doch die ersten vier Titel des Programms („Adios Nonino“, „Oblivion“, „El viaje“ und „Ave Maria“ aus dem Film „Enrico IV“) klingen im Neu-Arrangement für Saxophon und Streicher ein bisschen wie weiland Mantovani, zwar durch das gefühlvoll-jazzige Spiel von Karén Devroop belebt und veredelt, doch unter der runden Gestik von Dirigent Vito Clemente weichgespült und glattgebügelt bis zur Unkenntlichkeit.

Die von Vito Clemente geleitete Camerata Bohemica Prag mit dem südafrikanischen Saxophonsolisten Karén Devroop. Fotos: Susanne Eckstein

Etwas mehr Leben ins Spiel kommt mit Piazzollas „Escolaso“ und „Tango Preparense“; doch ein bisschen Pizzicato als perkussives Element rettet die Stücke nicht. Die im Programmtext betonte experimentelle Kraft und die Freiheit Piazzollas lassen sich nur von fern erahnen.

Vor der Pause wird der Solist verabschiedet – wie will das Streicherensemble danach im Alleingang die farbig instrumentierte Filmmusik von Ennio Morricone (1928 bis 2020) in Form von 15 Titeln aus elf Filmen wiedergeben? Immerhin gehören zu den bekannten Sergio-Leone-Kultwestern Mundharmonika oder Okarina als klingendes Symbol des einsamen Helden, begleitet von dumpfen Marschtrommeln; Markenzeichen von „Mission“ ist das Thema „Gabriel’s Oboe“, gespielt von einer solchen – all das fehlt.

Stattdessen breitet die Camerata Bohemica unter Vito Clementes rundem Dirigat ein durchgehendes, eher ruhig gehaltenes Streicher-Medley nach Melodien von Morricone aus, wobei die meisten davon weder „The Best of“ noch hierzulande bekannt sind. Wer kennt etwa „Metti, una sera“ oder die italienische TV-Serie „I promessi sposi“?

Viel Beifall im Festsaal für die Prager Camerata Bohemica. Foto: Susanne Eckstein

Das Ganze klingt erneut sehr dezent und verträumt wie eine Folge von Violinromanzen in erweitertem Streichquartett-Satz, tonschön und sauber gespielt, doch weitgehend ohne Spannung, blass und wenig aussagekräftig. Erst gegen Ende sind bekannte Melodien auszumachen, Cello und Kontrabass markieren perkussive Passagen. Das Publikum quittiert das halbstündige Potpourri teils mit Jubel, teils mit anerkennendem Applaus, und darf in zwei Zugaben eine weitere Träumerei und (nachdem Karén Devroop zurückgekehrt ist) ein hauchzartes Saxophon mit Streicherbegleitung genießen.

Die mobile Version verlassen